Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfstränen - Roman (German Edition)

Wolfstränen - Roman (German Edition)

Titel: Wolfstränen - Roman (German Edition)
Autoren: Vanessa Farmer
Vom Netzwerk:
Im Quartier wartet man bestimmt schon auf uns.«
    »Ach, Berny.« Meggy zitterte und drückte sich eng an Bernard. »Manchmal wünsch‘ ich mir, wir würden nie mehr mit Strock und den anderen zusammen sein!«
    »Ich weiß«, nickte Bernard und spuckte eine Gräte aus. »Aber nur wenn wir zusammenhalten, können wir überleben.«
    »Sie alle sind Banditen!«
    Bernard sah Meggy tief in die Augen. »Wir auch, Meggy, wir auch.«
    »Aber ...«
    »Du weißt, daß ich Recht habe.«
    »Nnnnh«, schüttelte Meggy trotzig ihren Kopf. »Wir sind Straßenhändler. Das is‘ ‘ne gute Arbeit. Seitdem ich mich auf Siegelwachs verlegt habe, läuft’s besser. Ich hab‘ ‘nen eigenen Bauchladen und ich bin frei wie’n Vogel!«
    »Ein verhungernder Vogel«, setzte Bernard hinzu.
    »Unsinn, Bernie. Es is‘ mal so und so ... man munkelt, daß Schnupftabakdosen groß im kommen sind. Vielleicht steig‘ ich darauf um.«
    »Und dann auf Bettwäsche und dann auf Kasserollendeckel oder Knöpfe.« Bernard knurrte. »Früher hatten wir große Märkte, Märkte, zu denen die Reichen kamen, weil dort immer was los war, weil der Himmel über London erleuchtet war von unseren Kerzen und Gaslampen. Wir waren wer und konnten ohne Probleme unsere Miete bezahlen. Heutzutage sind wir geächtet und werden verjagt. An den meisten Plätzen dürfen wir nicht an Ort und Stelle stehen, weil wir keine Genehmigung haben. Sobald das Standbein deines Bauchladens die Straße berührt, wirst du verscheucht. Die Wahrheit ist: Wir sind weniger wert als der Müll, aus dem man wenigstens noch Ziegel brennen kann.«
    Meggy wollte etwas erwidern, als eine tiefe Stimme hinter ihnen ertönte.
    »He, Berny – bist‘e am schmausen? Ohne mich? Das is‘ nich‘ die feine Art, oder? Ich und die anderen warten auf dich und du haust dir mit leckerem Fisch den Magen voll!«
    Ein Mann stapfte die Treppenstufen hinunter und glotzte auf die Gräten, die im Öl schwammen. Seine Lippen waren feucht von Speichel, der in den schwarzen Bart tropfte und die Augen in seinem breiten Gesicht flackerten wie Irrlichter. Die störrischen Haare waren mit einem Stirnband gebändigt. Sein Hemd starrte vor Dreck und seine Hosenbeine waren über den Knien ausgefranst.
    Bernard stand auf und baute sich vor Strock, wie dieser Mann genannt wurde, auf. Die Männer starrten sich an. Strock, einen Kopf größer als Bernard, räusperte sich. »Okay, Boß...«, murmelte er. »´N einzelner Fisch is‘ wirklich `n bißchen wenig für acht Leute.«
    Bernard reichte Meggy die Hand und zog sie zu sich hoch. »Rufe die Männer zusammen!«, befahl er Strock. »Wir haben heute Abend etwas vor.«
    »Klautour?«
    »Nicht heute«, schüttelte Bernard den Kopf. »Hast du schon vergessen, daß sie den alten Marcus vor einer Woche wegen Diebstahl gehängt haben? Er soll fast ne halbe Stunde gezappelt haben, denn der Henker war stinksauer auf Marcus, weil der ihn angespuckt hatte. Also hat er den Knoten falsch an den Hals gelegt, der Mistkerl. Niemand hat sich an seine Beine gehängt und deshalb dauerte es verdammt lange, bis er tot war. Sein Hals soll ganz lang geworden sein und die Leute waren so entsetzt, dass sie danach keine Lust mehr hatten, ihm seine Sachen zu nehmen, wie es sonst üblich ist. Im Moment sind die Bullen überall.«
    Strock glotzte fragend und murmelte: »Also? Was tun wir?«
    »Wir werden heute jemanden beseitigen.«
    »Umbringen?«
    »Entführen!«
    »Wen?«
    Meggy griff Bernards Hand und drückte kräftig. Sie blickte zu ihm hoch. Ihr Gesicht war voller Angst und Sorge. Unmerklich schüttelte sie den Kopf.
    Strock begriff. Auch er kannte Bernards Geschichte. Er nickte und entblößte grinsend seine Zahnstummel.
    »Ja«, murmelte Bernard. »Heute greifen wir uns Adrian Blackhole!«

3
     
    »Welches Geschlecht hat London?«, fragte Adrian Blackhole. Er drehte sich vom Fenster weg, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.
    »Darüber habe ich noch nie nachgedacht, Sir«, antwortete Nell und legte die gefaltete Tribune neben das Frühstücksgedeck.
    »Einst ist London eine Frau gewesen«, fuhr Adrian Blackhole fort, zog den Hausanzug eng um seine Schultern, schüttelte sich, als fröstele es ihn und setzte sich an den Tisch. » Die Stadt, Miss Winters! Aber jetzt hat sie nicht Weibliches mehr an sich.« Er warf einen schnellen Blick auf die Zeitung, die Drought gebügelt hatte, damit sein Herr sich die Finger nicht mit Druckerschwärze verschmutzte.
    »Der nächste Frühling wird das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher