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Wolfstränen - Roman (German Edition)

Wolfstränen - Roman (German Edition)

Titel: Wolfstränen - Roman (German Edition)
Autoren: Vanessa Farmer
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rann Schweiß über den Rücken, obwohl es im Haus herbstlich kühl war.
    Hinter der Tür, zu der nur Sir Adrian Blackhole, der Herr von Stairfield House, einen Schlüssel besaß, heulten irrsinnige Wölfe, jedenfalls kam es Nell so vor. Die Geräusche hatten sich aus der Dunkelheit emporgeschwungen wie böse Geister.
    Nell zitterte so sehr, dass die Tassen auf dem Tablett aneinander klickerten. Sie starrte entsetzt in die Dämmerung des Flures, der nur von zwei einsam zischelnden Kerzen beleuchtet wurde. Wenn sie sich nicht zusammenriss, würde ihr das Tablett aus den Händen gleiten und die Monster in Sir Blackholes Privatgemach würden sie hören und mordlüstern zu ihr hinausstürmen.
    Nell schob sich mit dem Rücken an der Wand entlang in Richtung Treppenaufgang. Sie stockte einen Herzschlag lang und lauschte.
    Stille.
    Die wahnsinnigen Laute waren plötzlich verklungen, lediglich der immerwährende Atem des Herrenhauses schwebte über ihr. In ihren Ohren trommelte ihr Herzschlag, ihre feuchte Haut kühlte ab, und ein eisiger Hauch strich darüber. Minuten vergingen. Schwer atmend verharrte sie und lauschte ihren Gedanken nach.
    Hatte sie geträumt? War sie das Opfer ihrer Phantasie geworden? Im Untergeschoß tickte die Standuhr, sonst war alles ruhig. Die nun herrschende Stille war fast noch gespenstischer als das Heulen der Wölfe ...
    Es war nach neun Uhr abends und Sir Blackhole erwartete seinen Tee, heute keine Kanne, sondern zwei gefüllte Tassen. Nell seufzte und straffte ihre Schultern. Wie jeden Abend würde sie auch heute ihrem Herrn den Tee servieren.
    Sie stieß sich von der Wand ab und machte drei Schritte auf die Tür zu. Sie wollte an die Tür klopfen ...
    ... als sich eine schwere Hand auf ihre Schulter legte.
    Über ihren Unterarm ergoss sich Tee, beschmutzte das weiße Kleid, die Tassen klirrten auf die Dielenbohlen und das Tablett schepperte auf das zersplitterte Porzellan.
    Nell fuhr herum. Sie spuckte eine Locke ihres Haares aus, wischte sich mit den Händen über die Schürze und duckte sich blitzschnell weg.
    »Mister Drought!«, stieß sie hervor.
    »Wen um alles in der Welt haben Sie denn erwartet?« Der Butler grinste hart und wies auf die Scherben. »Ich wusste nicht, daß Sie Sir Blackhole den Tee vor seinem Privatgemach servieren sollen ...«
    »Erst erschrecken Sie mich fast zu Tode, dann versuchen Sie auch noch witzig zu sein!«, zischte Nell.
    »Sie sind eine Wildkatze, Miss Nell – es wird Zeit, daß man Ihnen die Krallen stutzt!« Drought legte seinen hageren Kopf schief und musterte Nell. Seine Augen waren überdacht von buschigen Augenbrauen, die sich zusammenzogen, so dass sie jetzt einen einzigen schwarzen Strich bildeten. Er lächelte messerscharf. »Warum lauschen Sie an der Tür?«
    »Ich verstehe Sie nicht ...«
    »Ich habe Sie eine ganze Weile vom Treppenabsatz aus beobachtet. Sie stehen hier rum wie ein Ölgötze und belauschen den Herrn, anstatt ihre Arbeit zu tun.«
    Einen Moment lang war Nell versucht, ihm von den grauenhaften Geräuschen zu erzählen. Sie würde mit irgendwem darüber reden müssen. Drought musste die Wölfe auch gehört haben, falls er sie tatsächlich beobachtet hatte. Warum, sagte er nichts dazu und tat so, als sei nichts geschehen? Es waren – lieber Himmel – unzweifelhaft
    WÖLFE!
    zumindest große Hunde gewesen. Das konnte er nicht überhört haben.
    »Wie lange sind Sie jetzt in diesem Haus, Miss Nell?«
    Drought stank aus dem Hals, und Nell drehte sich der Magen um. Sie ordnete ihre Kleidung und Haare und versuchte, sich ihren Ekel nicht anmerken zu lassen. »Zehn Monate, aber damit sage ich Ihnen nichts Neues. Ich stellte mich im November 1838 vor. Es lag Schnee und war bitterkalt und ...«"
    »Papperlapapp!«, unterbrach Drought. »Ob es kalt war oder nicht, interessiert mich nicht. Zehn Monate also. Zehn überflüssige Monate! Über Ihre Vergangenheit ist mir nichts bekannt und Referenzen haben Sie auch nicht. Seit zehn Monaten frage ich mich, warum Sir Blackhole Sie in seine Dienste nahm. Wie man sieht, sind Sie nicht einmal fähig, ihm seinen Tee zu servieren.«
    »Sir Blackhole ist mit meinen Diensten sehr zufrieden.« Nell stockte »... und sogar Ihre Intrigen haben nichts daran ändern können.«
    »Vergessen Sie nie, mit wem Sie reden, Kindchen!«, schnarrte Drought und das Grinsen wich einem Zähnefletschen. »Ich bin Ihr Vorgesetzter, vergessen Sie das nie!«
    Für eine Weile schwiegen sie, zwei Schemen im Dämmerlicht des
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