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Wolfstränen - Roman (German Edition)

Wolfstränen - Roman (German Edition)

Titel: Wolfstränen - Roman (German Edition)
Autoren: Vanessa Farmer
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zappelte der Gnom und schrie markerschütternd.
    Der Große Makabros wirbelte herum und herum, wobei sein Umhang ihn wie ein Kreisel umschloß. Erneut zischte eine Stichflamme auf. Dann wurde es schlagartig dunkel!
    Im Theatersaal hätte man das Trippeln von Mäusefüßen hören können, wäre das hektische Atmen der Zuschauer nicht zu laut gewesen.
    »Machen Sie sich bereit für das Ereignis Ihres Lebens!«, rief Der Große Makabros.
    Lichter schnellten hoch, von Trommelwirbeln untermalt und es roch durchdringend nach Gas und Schwefel.
    Ein nebelartiges Geschöpf festigte sich und ein grüner schmaler Drache schwebte über den Köpfen der Zuschauer.
    Ein Inferno brach los. Frauen kreischten, Männer brüllten und aus den Fingerspitzen des Zauberers schossen Blitze, die in den Körper der Kreatur schlugen wie explodierende Flintenkugeln. Der Drache, gut zehn bis fünfzehn Fuß lang, schmal und sehr behände, schoss über die Köpfe der verwirrten Zuschauer hinweg, seine fast durchsichtigen Flügel verdrängten die Luft und ununterbrochen donnerte die Magie des Zauberers auf die glänzenden Schuppen. Ein feiner Feuerstrahl kam aus dem Maul der Kreatur, die reptilienartigen Augen starrten böse und nicht wenige Frauen fielen in Ohnmacht, während schwitzende und in Panik aufgelöste Männer nach Riechsalz in den Handtaschen ihrer Frauen suchten.
    Mit einem donnernden Knall sackte der Drache in sich zusammen und wurde zu einer Rauchwolke, die sich auflöste, und von mehreren Blendlampen angestrahlt regnete es Glitzer in den Zuschauerraum, als habe sich eine Zauberwelt aufgetan, die nur Gutes versprach – ein wahrhaft krönender Abschluss der Vorführung.
    Stille senkte sich über das Theater.
    Hier und dort schluchzte jemand.
    Stoff raschelte und Schuhe rieben nervös über Holzplanken.
    Dann begannen die Zuschauer zu toben.
    Der Große Makabros verbeugte sich. Es gab stehende Ovationen. Das Theater glich einem Hexenkessel. Der Vorhang schloss sich.
    Bernard saß wie angewurzelt. Meggy knuffte ihn in die Seite. Sie klatschte ausgelassen. Ihre Wangen waren gerötet und Schweißtropfen perlten über ihre Stirn.
    Die Kapelle spielte ein beruhigendes Stück und das Publikum setzte sich wieder.
    »Ha, du Griesgram ...«, kicherte Meggy. »Hat’s dir überhaupt nich’ gefallen?«
    »Ich werde ihn töten!«
    Sie verdrehte ihre Augen. »Keiner hat bis heute gesehen, wer sich hinter der Maske versteckt!«
    »Das Plakat hat mir genügt und nun bin ich mir völlig sicher. Ich habe ihn erkannt. Er soll leiden, wie meine Familie gelitten hat. Ich werde ihn dort treffen, wo es ihn am meisten schmerzt - und ich weiß, wo ich ihn finden kann! Ich beobachte ihn schon eine ganze Weile! Es ist der verdammte Siegelring. Nur er trägt ihn.«
    »Du wirst dich unglücklich machen.«
    Der Vorhang öffnete sich. Sofort brüllte das Publikum wieder los.
    Bernard war sich nicht sicher, ob Meggy ihn noch hörte, als er sagte: »Und wenn ich dabei draufgehe – ich werde Adrian Blackhole töten!«
     
     
     
    Nur wenige Sitze entfernt saß ein schmaler Mann in seiner Loge. Er hatte der Vorstellung mit Vergnügen beigewohnt. Sein Interesse galt dem Spiritismus und dem Mesmerismus. Makabros war ein Genie, fand er, und gerne würde er ihn zu einer Seance einladen.
    Auch er selbst galt als Genie, doch er zweifelte an sich.
    Martin Chuzzlewit hatte sich nicht so gut verkauft wie seine vorherigen Bücher und er suchte nach einem brauchbaren Stoff für etwas Neues, für etwas Überragendes.
    Sein Blick fiel auf das seltsame Paar, das hier so gar nicht hinzugehören schien. Sie sahen arm und verwahrlost aus und er fragte sich, woher sie die finanziellen Mittel nahmen, diese Vorstellung zu besuchen, anstatt das Geld in einer der zahllosen Schenken zu lassen.
    Sehr erstaunlich!
    Er wäre nicht Der Unvergleichliche gewesen, hätten die Beiden nicht sein Interesse geweckt. Er beschloss, sie nicht aus den Augen zu verlieren.
     

1
     
    Die Geräusche, die aus dem Zimmer hinter der verschlossenen Tür drangen, waren so grauenvoll, dass Nell unwillkürlich den Atem anhielt. Sie hatte sich an das Singen des Windes, der sich in den Fluren von Stairfield House verirrte, an das Husten der Treppenstufen und an das Trippeln von Rattenfüßen hinter den Tapeten gewöhnt - aber diese Laute waren schrecklich.
    Nell hielt ein Tablett mit Porzellantassen in ihren Händen, das ihr um Haaresbreite entglitt. Sie lehnte mit dem Rücken an der Wand und atmete heftig. Ihr
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