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Komm, suesser Tod

Komm, suesser Tod

Titel: Komm, suesser Tod
Autoren: Wolf Haas
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    Jetzt ist schon wieder was passiert. Aber ein Tag, der so anfängt, kann ja nur noch schlechter werden. Das soll jetzt nicht irgendwie abergläubisch klingen. Ich gehöre bestimmt nicht zu den Leuten, die sich fürchten, wenn ihnen eine schwarze Katze über den Weg läuft. Oder ein Rettungsauto fährt vorbei, und du mußt dich sofort bekreuzigen, damit du nicht der nächste bist, den der Computertomograph in hunderttausend Scheiben schneidet.
    Und Freitag der Dreizehnte sage ich auch nicht. Weil es ist Montag der 23. gewesen, wie der Ettore Sulzenbacher mitten in der Pötzleinsdorfer Straße gelegen ist und zum Steinerweichen geheult hat.
    Wie die Frau Sulzenbacher ihn gefunden hat, hat sie zuerst geglaubt, es ist wieder der alte Jammer über den Vornamen, den sie ihrem Sohn vor sieben Jahren gegeben hat. Aber dann hat sie den Grund für seine Verzweiflung schon gesehen. Weil neben dem heulenden Ettore ist seine tote Katze Ningnong gelegen.
    Ein Rettungsauto mit Blaulicht und Sirene hat die Ningnong zermanscht. Aber wie der Ettore seine tote Katze entdeckt hat, ist die Rettung schon längst über alle Berge gewesen. Die ist mit einem Tempo die Pötzleinsdorfer Straße hinuntergerauscht, daß man von Glück reden muß, daß die schwarze Ningnong das einzige Opfer geblieben ist.
    Aber da nützt das ganze Heulen nichts. Die Katze war hin. Ich weiß jetzt nur nicht, ob das mehr Unglück bringt oder weniger, wenn du die schwarze Katze totfährst, die dir über den Weg läuft.
    Der Sanitäter Manfred Groß hat sich darüber jedenfalls null Gedanken gemacht. Er ist in seinem Rettungsauto mit einem derartigen Zahn unterwegs gewesen, daß er es nicht einmal bemerkt hat, wie er die Ningnong zu einem schwarzen Omelette ausgewalzt hat. Er hat sich ja beeilen müssen, daß er die nächste Kreuzung noch bei Rot erwischt.
    Weil bei den Rettungsfahrern ist es heutzutage ein bißchen in Mode, daß sie mitzählen, wie viele Kreuzungen sie bei einer Einsatzfahrt rot nehmen. Ein bißchen eine Rekordmentalität, wie es heute ja überall umgeht. Aber du mußt eines wissen. Der Gesetzgeber erlaubt es nicht, daß die Rettung bei Rot über die Kreuzung fährt. Die Leute glauben, daß es erlaubt ist, weil sie es so oft sehen, wie die Rettung mit Blaulicht und Sirene über eine rote Ampel donnert. Aber eigentlich ist es verboten. Rot ist rot.
    Auch für die Rettung.
    Auch für den Manfred Groß, den seine Rettungsfahrerkollegen seit jeher nur Bimbo genannt haben. Ich weiß nicht, wie er zu dem Namen gekommen ist, aber ich vermute, es hat etwas mit seinen vorstehenden Augen und seinem dicken roten Orang-Utan-Hals zu tun gehabt. Und die Minipli-Frisur hat natürlich alles nur noch schlimmer gemacht.
    Aber dem Bimbo sind mit seinen achtundzwanzig Jahren schon ein bißchen die Haare ausgegangen, und eine Krankenschwester, die in ihrem früheren Beruf Friseurin war, hat ihm privat für 190 Schilling die kleinen Locken gemacht, praktisch Verschleierung.
    Aber interessant! Je weniger Haare er am Kopf gehabt hat, um so größer und fester ist sein Schnurrbart geworden.
    Jetzt rote Ampel verboten. Ist der Bimbo natürlich erst recht bei Rot über die Kreuzung gefahren. Weil das ist ein bißchen ein Protest von den Rettungsfahrern gewesen. Gegen den Gesetzgeber. Da riskierst du Tag für Tag dein Leben für andere, damit du sie noch rechtzeitig von der Straße kratzt, bevor sie der Geier schnappt, aber glaubst du, der Gesetzgeber unterstützt dich? Glaubst du, ein Danke kommt dem Gesetzgeber über die Lippen? Oder daß er dir erlaubt, bei Rot über die Kreuzung?
    Vergiß es. Der Gesetzgeber legt dir noch Steine in den Weg.
    Und er erlaubt dir die rote Ampel nicht. Rein rechtlich gesehen.
    Rein praktisch natürlich wieder eine andere Sache. Weil da war die Ningnong noch nicht einmal richtig auf dem Asphalt gelandet, ist der Bimbo Groß schon bei Rot über die nächste Kreuzung gezwitschert.
    Weil du darfst eines nicht vergessen. Mit ein paar Sanitätern hat der Bimbo diese Abmachung gehabt. Ein kleines Spiel. Und wieso nicht, wenn es den Arbeitsalltag ein bißchen erleichtert?
    So ein Rettungsfahrer muß genug leisten, und da sage ich, warum soll man ihm nicht ein bißchen Unterhaltung gönnen, wenn es auch vielleicht - rein rechtlich gesehen - nicht ganz nach dem Buchstaben ist.
    Paß auf, das hat so funktioniert: Wenn über den Funk ein Einsatz hereingekommen ist, hat der Bimbo gerufen: "Fünf!" oder "Acht!" oder von mir aus "Drei!", je nach
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