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Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt

Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt

Titel: Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
Autoren: Felicitas Mayall
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richtige Menge an, eine Sache der Erfahrung, an der es ihm nicht mangelte. Schon lange schrieb er mit Lachgas. Niemand außer Enzo und Elsa wussten davon. Er fand, dass es zu ihm passte – eine Droge, die seiner Weltsicht entsprach, seinem Sarkasmus. Außerdem war es billig. Altlander hatte nie verstanden, warum Menschen ein Vermögen für Kokain oder irgendwelche modischen Pillen ausgaben. Langsam ließ er sich in seinen Sessel fallen und griff nach der Atemmaske, lauschte kurz auf, als er Enzos Wagen fortfahren hörte, fühlte sich auf schmerzhafte Weise verlassen.

    Er hatte es gesehen, trotzdem war er sich plötzlich nicht mehr sicher. Außerdem war er zu schnell gewesen, weil der Weg auf einmal in eine schmale Teerstraße mündete und sein Rennrad ganz von selbst beschleunigte. Commissario Guerrini hielt an und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Sonnenblumen im Feld nebenan blühten so heftig, dass die Luft unangenehm süß roch. Langsam wendete er sein Rad, stieg wieder auf und fuhr den Weg zurück, den er gerade gekommen war.
    Wie war das gewesen? Er hatte die alten Olivenbäume und Zypressen hinter dem schmiedeeisernen Zaun bewundert, und dabei waren ihm diese kleinen Leute aufgefallen. Chinesen, hatte sein Verstand gesagt. Blödsinn, hatte Guerrini ihm geantwortet. Aber sein Verstand hatte darauf bestanden. Zum Glück war der Hügel steil, der zu dem vornehmen Anwesen hinaufführte. Deshalb konnte er sehr langsam fahren, endlich absteigen. Die Villa – Renaissance, schätzte der Commissario – lag halb verborgen hinter mächtigen Zedern. Der Park rundherum wirkte sehr gepflegt. Und da waren sie wieder! Es gab keinen Zweifel. Der Park war voller Chinesen. Chinesen, die Kieswege kehrten, die Unkraut zupften, Chinesen, die Rasen mähten und Blumen gossen.
    Guerrini blieb stehen. Die Chinesen hörten auf zu arbeiten und schauten zu ihm herüber. Guerrini schob sein Rad weiter den Hügel hinauf und blickte in die andere Richtung, sah zwei Reiter am Rand des Sonnenblumenfelds, eine sanfte weiße Wolke am Himmel und hielt die Chinesen noch immer für eine Halluzination. Immerhin hatte er an diesem Sonntagnachmittag eine Strecke von dreißig Kilometern zurückgelegt, immer rauf und runter. Er fühlte sich erschöpft, spürte den gerade verheilten Bruch seines Schienbeins, den er sich beim Kampf mit einer jungen Hexe in den Cinque Terre zugezogen hatte.
    Wieder hielt er an, nahm seine Wasserflasche vom Rad und setzte sie an die Lippen. Auf diese Weise konnte er sich ziemlich unauffällig wieder dem seltsamen Park zuwenden. Jetzt waren die Chinesen verschwunden. Jedenfalls die meisten. Nur zwei Frauen zupften noch immer mit gesenkten Köpfen in einem Rosenbeet herum.
    Interessant, dachte Guerrini, steckte seine Wasserflasche wieder weg und ging langsam weiter, bis er zu einem protzigen schmiedeeisernen Tor kam, das von zwei Kameras überwacht wurde. Es erübrigte sich, nach einem Namensschild zu suchen. Pforten dieser Art trugen keine Namensschilder. Immerhin gab es eine Nummer: Borgo Ecclesia 23. Er würde keine Mühe haben herauszufinden, wer sich hinter dieser Adresse als Freund chinesischer Immigranten betätigte.
    Als er sich wieder auf sein Rad schwingen wollte, trabten die beiden Reiter so nah an ihm vorbei, dass er ausweichen musste. Einer der beiden, eine blonde Frau mittleren Alters, deren Kleidung und Stiefel mindestens von Armani sein mussten, musterte ihn mit einem jener Blicke, die andere schrumpfen lassen, sie zu Würmern im Staub verwandeln. Und obwohl Guerrini sich eigentlich ziemlich widerstandsfähig gegenüber der Arroganz einer bestimmten Klasse fühlte, war er sich doch augenblicklich seines verschwitzten Körpers bewusst, des lächerlichen Fahrradhelms und seiner nackten behaarten Beine.
    Er ärgerte sich, obwohl er sich nicht ärgern wollte. Ärgerte sich über die Reichenghettos, die sich auf den Hügeln rund um Siena ausgebreitet hatten, über sich selbst, weil er auf den Blick der eingebildeten Signora reagiert hatte, und außerdem darüber, dass er zu weit geradelt war, denn er brauchte noch eine Dreiviertelstunde bis nach Siena.
    Doch wenigstens war es angenehm kühl in seiner schmalen Gasse mit den hohen Häusern, die gerade so weit von der Piazza di Campo entfernt war, dass die Touristenströme in der Ferne vorüberzogen. Guerrinis Wohnung lag ganz oben, im vierten Stock, ohne Lift. Auch das ärgerte ihn an diesem Abend, denn er war müde, und sein Bein schmerzte.
    Unten
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