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Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt

Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt

Titel: Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
Autoren: Felicitas Mayall
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waren die Mauern feucht, und es roch muffig. Guerrini stellte sein Rad in den winzigen Hinterhof und sicherte es mit einer dicken Kette. Auf der Mauer saß eine dürre rot-weiße Katze und betrachtete ihn mit ähnlich kalten Augen wie die Reiterin in Borgo Ecclesia. Es war eine fremde Katze. Guerrini kannte alle Katzen seiner Hinterhöfe. Er mochte diese Katzen, stellte ihnen regelmäßig Futter und Wasser hin. Aber diese Katze mochte er nicht! Deshalb hob er drohend seinen Arm und trat näher an die Mauer heran. Die Katze schnellte auf alle vier Beine, machte einen Buckel und verschwand lautlos.
    Ein kleiner Sieg, immerhin, dachte Guerrini und lächelte über sich selbst. Trotzdem verfluchte er gleich darauf die vielen Stufen bis zu seiner Wohnung, aber oben war er froh, denn er konnte von der Küche den Dom sehen und von seiner winzigen Dachterrasse die Torre di Mangia, die gerade von der untergehenden Sonne in rotes Licht getaucht wurde.
    Guerrini schenkte sich ein Glas Weißwein ein, hatte genug von all dem Wassertrinken während seiner Radtour und fragte sich, ob er nicht allmählich zu alt sei für solchen Unsinn. Wie oft war er an diesem Nachmittag von Pulks wild strampelnder Anwärter auf den Giro d’Italia überholt worden. Radfahren hatte in Italien die Form eines Massenwahns angenommen.
    Er schlürfte den kühlen Wein, griff dann nach dem Telefon und wählte die Nummer der Questura.
    «Questura, pronto!»
    «Guerrini. Ist Sergente Tommasini in der Nähe? Er hat doch Dienst, oder?»
    «Ja, Commissario. Er ist da.»
    «Dann hol ihn. Wer spricht da überhaupt?»
    «D’Annunzio, Commissario.»
    «Du musst deinen Namen nennen, wenn du dich meldest. Du kannst nicht einfach ‹Questura, pronto› sagen.»
    «Entschuldigung, Commissario.»
    «Schon in Ordnung. War nur ein Hinweis. Du hast ja gerade erst angefangen. Also, wo ist Tommasini?»
    «Der Sergente Tommasini … ich glaube, Commissario, er ist gerade auf der Toilette.»
    Guerrini lachte los.
    «Dann sag ihm, er soll sich beeilen und mich sofort zu Hause anrufen. Verstanden?»
    «Ja, Commissario!»
    Guerrini zog seine klebrige Radlerkleidung aus und schlüpfte in einen Bademantel. Auf seiner Dachterrasse wartete er auf den Anruf des Kollegen, nippte am Wein und ärgerte sich noch immer über das Ende seines Ausflugs. Gleichzeitig wunderte er sich, denn der Anlass seines Ärgers war eigentlich nichtig gewesen. Was kümmerte ihn diese Unbekannte hoch zu Ross! Es war etwas anderes. Irgendetwas an dem Gesamtszenario in Borgo Ecclesia stimmte nicht. Die Chinesen und der kalte Blick. Eine merkwürdige Kombination.
    Guerrini ließ sich in einen der Korbsessel fallen und legte beide Beine auf die Terrassenbrüstung. Kreischende Mauersegler umkreisten die Torre di Mangia, obwohl es schon beinahe dunkel war. Tagfledermäuse nannte Laura die schwarzen Vögel. Laura, die Ferne. Nur einmal hatte sie neben ihm auf dieser Terrasse gesessen. Auch sie schien ihm wie eine Halluzination. Er war heute in der Stimmung, das ganze Leben für ein Vexierbild zu halten.
    Als das Telefon klingelte, schreckte Guerrini auf, denn er war fast eingenickt.
    «Commissario? Hier Tommasini.»
    «Na endlich. Warst du wirklich so lange auf dem Klo?»
    «Entschuldigen Sie, Commissario. Was meinen Sie?»
    «Du musst den jungen Mann ein bisschen erziehen, Tommasini. Er sollte nicht verraten, wo sich die Mitarbeiter der Questura gerade aufhalten.»
    «Hat d’Annunzio?»
    «Er hat. Aber reiß ihm deshalb nicht den Kopf ab. Setz dich lieber an den Computer und finde heraus, wer in Borgo Ecclesia 23 wohnt.»
    «Gibt es einen bestimmten Grund?»
    «Es könnte einen geben. Im Augenblick interessiert es mich einfach. Gibt eine Menge Chinesen da oben, die ganz plötzlich verschwinden, wenn man sie ansieht.»
    «Wie bitte?»
    «Ich erkläre dir das später, Tommasini.»
    Guerrini leerte sein Weinglas in einem Zug, fühlte sich beinahe augenblicklich leicht beschwipst, dabei fiel ihm ein, dass er seit seinem kargen Radlerimbiss am Mittag nichts mehr gegessen hatte. Doch es war ein angenehmer Zustand, und er beschloss, diesen noch zu verstärken, indem er eine warme Dusche nahm. Erst danach wollte er sich dem Thema Hunger zuwenden.
    Natürlich rief Tommasini wieder an, als Guerrini sich gerade eingeseift hatte. Diesmal ärgerte der Commissario sich aber nicht, sondern lächelte nur über die Misslichkeiten des Lebens, selbst dann noch, als der Telefonhörer ihm aus der Hand glitschte und er ihn gerade
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