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Wolfsfeuer (German Edition)

Wolfsfeuer (German Edition)

Titel: Wolfsfeuer (German Edition)
Autoren: Lori Handeland
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dabei klang der Schmerz allmählich ab. Er schaffte es nicht, sich schnell zu bewegen, doch je näher er dem Ort kam, an dem er Alexandra Trevalyn zurückgelassen hatte, desto besser fühlte er sich.
    Was verflucht überhaupt keinen Sinn ergab.
    Julian hockte sich auf die bröckelnde Zementtreppe vor einem halb ausgebrannten Gebäude. Ohne den Rußgeruch zu beachten, atmete er tief ein und aus, um seinen rebellierenden Magen zu beschwichtigen. Er bezwang seinen Brechreiz, trotzdem konnte er sich nicht dazu aufraffen, aufzustehen und fortzugehen. Schließlich stellte er sich der Wahrheit.
    Er konnte sie nicht hierlassen. Sie war Teil seines Rudels.
    » Knull mœ i øret «, wiederholte er und lachte bitter.
    Er hatte in seinem Leben schon andere Wölfe erschaffen, allerdings hatte er anschließend nie versucht, sie sich selbst zu überlassen. Damit hätte er der Katastrophe Tür und Tor geöffnet.
    Neue Wölfe waren … ein Problem. Bis sie sich an die Veränderungen gewöhnt hatten, blieb Julian immer in ihrer Nähe. Darum war ihm nie in den Sinn gekommen, dass es ihm physisch unmöglich sein könnte, sich von Alexandra zu trennen.
    Julian hockte auf der Treppe und versuchte, den Moment zu genießen, von dem er ahnte, dass er für lange Zeit sein letzter friedvoller sein würde. Er würde einen seiner ärgsten Feinde in das Herz seiner Existenz lassen.
    Wer bestrafte hier eigentlich wen?
    Edward schnippte mit den Fingern, und eine Frau trat durch die Tür.
    »Was ist das hier, der Grand Central?«, spottete Alex.
    Edward, der schon immer Schwierigkeiten mit Sarkasmus gehabt hatte – was vermutlich daran lag, dass Englisch seine Zweitsprache war – , runzelte die Stirn. »Wir sind in Los Angeles. Der Grand Central ist in New York, nicht wahr?«
    Alex verdrehte die Augen, dabei bemerkte sie den Anflug eines Lächelns auf dem Gesicht des Neuankömmlings.
    Die Frau war klein, und das nicht nur im Vergleich zu Alex, die barfuß einen Meter fünfundsiebzig maß. Sie war außerdem auf eine Weise zierlich, wie Alex es niemals sein würde. Dunkles Haar, das an der Schläfe eine weiße Strähne zierte, umrahmte ihr jugendliches Gesicht. Ihre Augen waren von einem klaren Blau und zeigten einen aufrichtigen, ernsten Ausdruck, dem Alex nur zu gern vertrauen wollte.
    »Ich bin Cassandra«, stellte die Frau sich vor. »New Orleans’ freundliche Voodoo-Priesterin.«
    Alex’ Verlangen, ihr zu vertrauen, verpuffte schlagartig. »Schon klar.«
    Cassandras einzige Antwort bestand in einem Verbreitern ihres Lächelns, was Alex mehr überzeugte, als es ein Nasenstüber vermocht hätte.
    »Voodoo?« Alex guckte zu Edward. »Jetzt hast du echt nicht mehr alle Steine auf der Schleuder, oder?«
    Cassandra gab ein ersticktes Geräusch von sich.
    Die Runzeln in Edwards Stirn vertieften sich. »Ich verstehe nicht, warum jeder ständig meine Steine auf der Schleuder beziehungsweise deren Fehlen thematisieren muss. Ich besitze schon seit meiner Kindheit keine Steinschleuder mehr.«
    »Natürlich nicht«, murmelte Alex, und Cassandra fing an zu husten.
    Edward klopfte ihr auf den Rücken, allerdings mehr aus Irritation denn aus Hilfsbereitschaft. »Sprich weiter«, forderte er sie auf. »Alex konnte den Dämon bislang fernhalten, doch ich fürchte, dass er sie bald schon überwältigen wird.«
    Alex plagte dieselbe Befürchtung. Sie konnte die menschlichen Herzen der beiden schlagen hören, spürte den Blutstrom in ihren Venen. Der Duft von warmem Fleisch bewirkte, dass sich ihr Magen zusammenzog und ihr das Wasser im Mund zusammenlief.
    Außerdem fühlte sich ihre Haut zu eng an, ihre Zähne zu groß. Sie hörte ein beständiges Heulen und Knurren, aber es war nicht real; es existierte nur in ihrem Kopf. Immer wieder huschten Visionen eines Waldes, eines Opfers vor ihrem geistigen Auge vorbei, und ihr Puls beschleunigte sich in Erwartung des tödlichen Angriffs.
    Und es würde einen tödlichen Angriff geben. Das war unvermeidbar.
    »Unternehmt etwas«, würgte sie hervor.
    Cassandra machte sich ans Werk, indem sie Flaschen, Phiolen und Säckchen, die mit Gras gefüllt zu sein schienen, aus ihrem Rucksack kramte, dann zog sie eine Tonschale heraus und stellte sie auf den Tisch.
    Sie gab ein bisschen von diesem, ein bisschen von jenem hinein, dabei sang sie ein Lied, das Alex nicht kannte; es schien eine Mischung aus Französisch und noch etwas anderem zu sein. Während sie das tat, klangen die Geräusche in Alex’ Kopf ab.
    »Kommen Sie«,
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