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Wolfsfeuer (German Edition)

Wolfsfeuer (German Edition)

Titel: Wolfsfeuer (German Edition)
Autoren: Lori Handeland
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die, die er erschuf, auch. Anstatt von einem Dämon besessen zu sein, der sie zwang, bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu morden, behielten Julians Wölfe ihre Menschlichkeit bei. Sie wertschätzten ihr eigenes Leben und das von anderen. Natürlich brauchten sie bei Vollmond menschliches Blut, aber Blut und Tod waren zweierlei.
    Unglückseligerweise war nach der ersten Verwandlung ein Mord unerlässlich. Es war der einzige Weg, der vom Abgrund des Wahnsinns zurückführte. Danach jedoch verabscheuten es Julians Wölfe zu töten. Der böse Kern, der andere Werwölfe charakterisierte, existierte in ihnen nicht.
    Irgendwann einmal hatte Julian versucht, seine Wölfe vor dieser ersten Tötung zu bewahren, indem er sie, wie er es in allen darauffolgenden Vollmondnächten tat, mit menschlichem Blut versorgte, doch es hatte nicht funktioniert. Aus Gründen, die er nicht verstand, machte es sie unwiderruflich zu Killermaschinen, wenn sie bei jenem ersten Mal kein Blut vergossen.
    Ein Schicksal, das er für Alexandra nicht wollte. Nein, er wollte, dass sie ihre Menschlichkeit behielt und die Qual durchmachte, die es mit sich brachte, gegen den Drang zu töten nicht anzukommen und fortan damit leben zu müssen. Er wollte ihr begreiflich machen, dass seine Werwölfe im Anschluss an die erste Verwandlung und die erste Tötung wie jede andere Person waren. Indem sie Alana erschoss, hatte sie ein menschliches Wesen ausgelöscht; sie hatte die Welt nicht von einem Monster befreit.
    Julian hätte bleiben und zusehen können, doch er hatte nicht mehr als tausend Jahre überlebt, indem er an einem seiner Tatorte verweilte. Er beabsichtigte nicht, an diesem zu sein, wenn die Hölle – nun unter dem Namen Alexandra Trevalyn bekannt – entfesselt wurde.
    Julian hatte keinen Zweifel, dass über kurz oder lang ein Jägersucher auftauchen und sie von ihrem Elend erlösen würde. Und so gern er Zeuge gewesen wäre, um zu sehen, wie ihr das gefiel, hegte er nicht den Wunsch, einem von Edward Mandenauers Elitejägern über den Weg zu laufen. Er hatte schon zu viele von ihnen aus dem Verkehr ziehen müssen, und Edward war niemand, der so etwas vergaß. Der alte Krieger würde alles in seiner Macht Stehende tun, um Rache zu üben, nur hatte Julian nicht vor, ihm die Gelegenheit zu geben.
    Sobald er das leer stehende Gebäude verlassen hatte, griff Julian auf seine Fähigkeit zurück, sich so schnell zu bewegen, dass das menschliche Auge ihm nicht folgen konnte – das Alter brachte viele Vorteile mit sich, und dies war einer davon. Er hatte bereits mehrere Kilometer zurückgelegt, als ihn eine seltsam kalte, diffuse Übelkeit überfiel. Er verlangsamte sein Tempo und wäre um ein Haar mit einem entgegenkommenden Jugendlichen zusammengeprallt.
    »He, Mann«, nuschelte der Junge.
    »Verzeihung.«
    »Verzeihung?« Der Teenager lachte. »Alter, wo kommst du denn her?«
    Julian machte sich nicht die Mühe, zu antworten. Er war Geschichte und Legende zugleich, entstammte einer Zeit und einem Ort, die in so weiter Ferne lagen, dass außer ihm niemand mehr übrig war.
    Mit einer Ausnahme.
    Der Junge beäugte Julians neue Kleidung, seine sauberen Hände, die teuren Schuhe. Ein gieriges Funkeln trat in seine Augen, und seine fleischige Hand verschwand in seiner Tasche.
    »Du willst das nicht wirklich tun«, bemerkte Julian.
    Der Jugendliche blickte auf, und Julian ließ ihn sehen, was sich hinter seiner gefälligen menschlichen Tarnung verbarg. Wie von der Tarantel gestochen rannte der Junge in die Richtung zurück, aus der er gekommen war, während Julian zu rekapitulieren versuchte, was ihn überhaupt dazu veranlasst hatte, seinen Sprint zu unterbrechen.
    Die Übelkeit saß noch immer tief in seiner Magengrube, und die Luft, von der er wusste, dass sie warm war, strich kalt wie ein Eiswürfel über seine Haut. Er hätte gemutmaßt, Fieber oder eine Grippe zu haben, aber er wurde nie krank. Nicht mehr, seit er ein Werwolf war.
    Er hatte gelernt, seinen Gefühlen blind zu vertrauen. Als Wolf hätte er sie Instinkte genannt, und die waren so verlässlich wie der Sonnenaufgang.
    Julian setzte seinen Weg in die zuvor eingeschlagene Richtung fort. Sofort begann er zu frösteln, und sein Magen krampfte sich noch fester zusammen.
    » Knull mœ i øret «, flüsterte er. Die einzigen Gelegenheiten, bei denen er noch automatisch in seine Muttersprache verfiel, waren die, in denen er fluchte.
    Langsam machte er kehrt und folgte seinem eigenen Weg zurück,
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