Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfsfeuer (German Edition)

Wolfsfeuer (German Edition)

Titel: Wolfsfeuer (German Edition)
Autoren: Lori Handeland
Vom Netzwerk:
Situationen schon seit sechzig Jahren widerfuhren.
    Ein Gewehr auf den Rücken geschnallt, eine Pistole in der Hand und einen Patronengurt um seine eingesunkene Brust geschlungen, war Edward wie üblich bereit für Armageddon.
    »Es ist lange her«, sagte er.
    Nachdem er seit mehr als einem halben Jahrhundert in den Vereinigten Staaten lebte, hätte man eigentlich annehmen müssen, dass sein schwerer deutscher Akzent inzwischen verblasst wäre. Alles andere an ihm hatte das getan. Sein ehemals blondes Haar war weiß, das Blau seiner Augen trüb, seine Haut dünn wie Pergament. Es verblüffte Alex immer wieder, dass die Trefferquote des Mannes doppelt so hoch lag wie ihre eigene. Zumindest war sie das gewesen, als sie noch hatte mitzählen müssen.
    Sie setzte sich auf, ohne sich darum zu kümmern, dass die Decke zu ihrer Taille hinabrutschte. Bis vor wenigen Stunden wäre sie vor Scham gestorben, was bewies, dass sie sich in mehr als nur einer Hinsicht verändert hatte.
    Sie fühlte sich verdammt gut. Jeder noch so kleine Schmerz, jedes Zwicken war verschwunden. Energie pulsierte durch ihren Körper, was sie daran erinnerte, wie sie einmal versucht hatte, in einem billigen Motel den Fön einzuschalten, während sie noch triefnass von der Dusche war. Brrzz! Sie hatte das nie wieder versucht.
    Die Welt schien plötzlich so viel präsenter zu sein. Alex konnte die Luft an ihrer Haut fühlen, sie hörte jeden Atemzug, den Edward tat; wenn sie die Ohren spitzte, würde sie wahrscheinlich das dumpfe Pochen seines alten Herzens von dem langsamen Fluss des Blutes in seinen Adern unterscheiden können. Sie war überzeugt, es zu riechen.
    Alex hob die Nase, schnupperte und leckte sich die Lippen. Edward hob die Pistole.
    So würde es also ablaufen.
    »Bringen wir es hinter uns.« Alex wiederholte exakt die Worte, die sie vor nicht allzu langer Zeit zu dem Wolfsmann gesagt hatte, trotzdem huschte ihr Blick auf der Suche nach einem Fluchtweg erst zur linken, dann zur rechten Seite. Obwohl ihr Verstand die Unausweichlichkeit ihres Todes akzeptiert hatte, vibrierte ihr Körper in der Hoffnung auf ein Entkommen.
    »Was denn?«, fragte Edward.
    »Mein zwangsläufiges Dahinscheiden. Ich nehme an, du hättest gern, dass ich mir noch einmal Wolfsohren und eine Schnauze wachsen lasse, damit du weniger erklären musst, nachdem du mir in den Kopf geschossen hast.« Wobei gesagt werden musste, dass Edward nie wirklich in Erklärungsnot geriet – nur eines seiner zahlreichen Talente.
    »Ich werde dir nicht in den Kopf schießen, Alex.«
    »Dann eben in die Brust. Wo ist der Unterschied?«
    »Wäre es meine Absicht, eine Silberkugel auf dich abzugeben, hätte ich mich nicht erst mit dem Betäubungspfeil aufgehalten.«
    Wieso hatte er es dann getan?
    Und, was das betraf, warum hatte sie sich überhaupt zurückverwandelt? Ein Werwolf musste bei Vollmond menschliches Blut zu sich nehmen, bevor er wieder ein Mensch wurde, und bei der ersten Verwandlung bedingte das einen Mord. Andernfalls wäre Wahnsinn die Folge.
    Alex fuhr mit der Zunge über die Innenseite ihrer Wangen. Bestimmt hatte sie schlimmen Mundgeruch, aber sie schmeckte kein Blut. Außerdem war sie viel zu ruhig für einen frisch gebackenen Wolf, und auch wenn sie sich verändert fühlte, fühlte sie sich weder verrückt noch böse. Sollte sich ihr eine Fluchtmöglichkeit bieten, würde sie sie selbstverständlich ergreifen, und wenn das bedeutete, dass Edward dafür über die Klinge springen musste, würde sie sich deswegen keine grauen Haare wachsen lassen. Es wäre eine simple Frage des Überlebens.
    Alex musterte den alten Mann, der seine buschigen weißen Brauen hob, als wartete er darauf, dass der Groschen bei ihr fiel. Endlich tat er das. »Was hast du mit mir gemacht?«
    Er hielt eine leere Spritze hoch.
    Aha!
    Edward hatte seinen höchstpersönlichen Dr. Frankenstein auf seiner Gehaltsliste – eine Virologin, die viel Zeit damit verbrachte, nach Heilmethoden für Lykanthropie zu forschen. Der Hauptgrund, warum Alex die Jägersucher verlassen hatte, war deren ehernes Gesetz, dass die Agenten den Werwölfen die Wahl zwischen Heilung und Tod lassen mussten. Alex’ Überzeugung nach verdienten sie keine zweite Chance. Ihr Vater hatte auch keine bekommen. Verdammt, ihre Mutter auch nicht.
    »Du hast mich geheilt?«, fragte sie. Alex fühlte sich nicht geheilt; sie fühlte sich ein bisschen wölfisch.
    Edward schüttelte den Kopf. »Ich habe dir ein Serum injiziert, das den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher