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Wolf

Titel: Wolf
Autoren: Jeany Lena
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unter seiner Haut bewusst und wusste ihn richtig einzusetzen. Faszinierend, kurz gesagt.
    Julian schüttelte jedesmal über sich den Kopf. Erstens war er immer noch ein Einzelgänger - womit der Kerl vielleicht sogar noch klar kommen könnte, da er ja auch ständig alleine abhing - und zweitens schwul - womit der Kerl vermutlich überhaupt nicht klar kommen würde.
    Und abgesehen davon wusste Julian nicht einmal, wie er ihn ansprechen sollte. Er konnte ja schlecht zu ihm gehen und ihm sagen, wie faszinierend er ihn fand. Und heiß, denn auch das war er. Nicht nur, dass er sich seiner Muskeln bewusst schien, waren sie auch deutlich definiert. Wie bei einem Leistungssportler.
    Aber er konnte ihn ja in unbedachten Momenten ein wenig anschmachten, das schadete ja bekanntlich niemandem.
    Dann jedoch kam der Tag, an dem er ihn ansprechen musste. Der Grund war der, dass der Kerl sein Shirt ausgezogen hatte. Eigentlich nicht verwunderlich, bei der Hitze, die wieder einmal herrschte. Daher wunderte Julian sich auch nicht weiter, dass er wieder einmal beim Wolfsgehege im Schatten saß. Doch oben ohne, das war hier nicht geduldet, also eines jener Vergehen, gegen die er vorgehen sollte. Bei jedem anderen war es Julian vollkommen egal, wenn er ihn auf sowas hinweisen musste. Bei dem Kerl überhaupt nicht. Trotzdem ging er natürlich zu ihm. Fast sofort lag der Blick aus diesen Augen auf ihm, er fixierte ihn förmlich, als er die letzten Meter überwand. Julian schluckte schwer, schob das ungute Gefühl von sich und meinte: „Hi, ähhm, könntest du dein T-Shirt wieder anziehen? Das … wird hier nicht gern gesehen.“
    Der Kerl rührte sich zwei Sekunden überhaupt nicht, wobei Julian feststellte, dass seine Augen grün waren. Ein sehr, sehr helles Grün, wie er es noch nie gesehen hatte. Das wiederum machte ihm bewusst, dass sie sich in die Augen sahen. Julian riss sich von diesem Anblick los, da nickte der Kerl. Er wickelte das Shirt langsam von seinem Arm, wohin Julians Blick erschrocken zuckte, als er die Wunde sah.
    Hatte er es deshalb gemacht? Um diese Wunde abzudecken?
    Der Kerl zog sich das Shirt über den Kopf, wobei ihm ein schmerzhaftes Winseln entkam. Perplex starrte Julian ihn eine Sekunde an. Kein Stöhnen oder Ächzen, tatsächlich ein Winseln. Sofort wurde ihm klar, wie ungut sich der andere fühlen musste, wenn er ihn so anstarrte, weshalb er den Blick wieder auf seinen Arm richtete. Ein Riss an seinem Unterarm, fast vom Handgelenkt bis kurz vor den Ellenbogen. Sah aus, als wäre er an einem Nagel oder so hängen geblieben und hätte sich aufgerissen.
    „Was hast du da angestellt?“, fragte Julian, ohne nachzudenken. Er sah den anderen fragend an, der ihn seltsam ausdruckslos ansah. Kein Wort kam über seine Lippen und er machte auch nicht den Eindruck, etwas sagen zu wollen.
    Doch Julian würde ihn hier nicht so damit sitzen lassen. Wenn sich das entzündete, hätte er ein Problem. Wieso es nicht schon längst verbunden war, war ohnehin fraglich.
    „Soll ich das verbinden?“, fragte er ihn daher. Immerhin hatte er Zugang zu jeder Menge Verbandsmaterial. Skeptisch wurde der Blick - misstrauisch.
    „Komm mit“, forderte Julian ihn einfach auf. Der Kerl rührte sich keinen Millimeter, daher meinte Julian nachdrücklich: „Wenn das offen bleibt und sich entzündet, wird’s übel, also stell dich nicht so an.“
    Noch zwei Herzschläge, musterte der andere ihn argwöhnisch, dann stand er auf. Zufrieden wandte Julian sich ab und marschierte los. Es waren gut fünf Minuten, bis zu dem Futterhaus, in denen Julian wissen wollte: „Warum hast du das nicht schon versorgen lassen?“
    Der andere reagierte nicht sichtlich, was Julian zu ihm blicken ließ. Er war ziemlich angespannt, noch mehr als sonst. Julian ließ ihn lieber in Ruhe, da der Kerl offensichtlich nicht mit ihm reden wollte.
    Julian schloss die Tür zum Futterhaus auf, trat ein und hielt sie auf. Der Kerl allerdings stand einen Schritt vor der Schwelle, spähte misstrauisch ins Innere.
    „Ich kann die Tür auch offen lassen, wenn du mir nicht traust“, schlug Julian vorsichtig vor. Der Blick des Kerls zuckte zu ihm und er nickte kaum merklich. Julian war sich nicht sicher, ob er deswegen beleidigt sein sollte, schob aber mit dem Fuß den Keil unter die Tür, um sie offen zu halten. Dann ging er demonstrativ einen Schritt weiter. Der Kerl setzte sich in Bewegung, jederzeit bereit zur Flucht. Julian beschloss, das zu ignorieren und wandte sich um.
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