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Wolf

Titel: Wolf
Autoren: Jeany Lena
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Viel eher faszinierend. Welche Farbe sie wohl wirklich hatten?
    Schnell schob Julian diese absurden Gedanken von sich. Es hatte einen Grund, warum er Tierpfleger war. Mit Menschen konnte er nicht so gut. Er war immer schon ein Einzelgänger gewesen und würde es wohl immer bleiben. Und das war auch gut so. Seine bisherigen - sehr kurzfristigen - Freunde, hatten ihn nicht verstanden und nicht ertragen können. Zumindest hatten sie ihn mehr oder weniger wieder fallen gelassen. Oder hatte er sich zurück gezogen?
    Auf jeden Fall kamen sie nicht damit klar, dass er die Ruhe liebte. Er ging ungern fort, eigentlich schon seit Jahren nicht mehr. Viele Menschen waren ihm ein Greuel. Er ertrug die Besucher des Tierparks schon kaum, wenn an schönen Tagen zu viel los war. Er war immer froh, wenn er sich irgendwohin zurück ziehen konnte. Noch froher war er, wenn sich alle wieder verpissten. Die letzte Runde, nachdem der Tierpark geschlossen hatte, war immer seine liebste. Wenn die Ruhe einkehrte, die Tiere still wurden. Wenn sie träge ihre eigenen Runden drehten, oder scheinbar ebenfalls die Stille genossen.
    Manchmal kam er sogar später am Abend noch einmal, oder gar in der Nacht. Leise marschierte er dann an manchen Gehegen vorbei, beobachtete die nachtaktiven Tiere.
    Nein, mit Menschen konnte er nicht so gut.
     
    Deshalb wunderte er sich auch, dass ihm der Kerl zwei Tage später wieder auffiel. Er war nicht der einzige, der eine Dauerkarte hatte und öfter kam, da war Julian sich sicher. Doch sonst hätte er von keinem sagen können, ob er schon mal hier gewesen war, oder nicht. Dazu achtete er einfach zu wenig auf die anderen. Bei diesem Kerl war es vermutlich sein Erscheinungsbild gewesen. Und einmal entdeckt, schien sein Unterbewusstsein auf ihn zu reagieren. Heute jedoch war ihm klar, warum er ihn entdeckte. Er saß auf der niedrigen Mauer, am letzten Teil des Weges, bevor der Wald endete. Direkt am Zaun zum Wolfsgehege. Er lehnte sogar leicht dagegen, die Beine angezogen, den Blick hinein gerichtet. Normalerweise hielten die Menschen gerade zu jenem Zaun respektvollen Abstand. Auch wenn es selbstverständlich einen Meter dahinter noch einen gab, um Zwischenfällen auf jeden Fall vorzubeugen. Doch der Kerl lehnte dagegen, als wenn auf der anderen Seite Schoßhunde hausten und nicht fünf Wölfe.
    Jetzt wandte der Kerl den Blick wieder zu der Menschenmenge, die keine fünf Meter entfernt von ihm vorbeiströmte. Seine Augen zuckten wieder hektisch von einem zum anderen, dann blieben sie an Julian hängen. Nein, sie waren wahrlich nicht unheimlich. Wieder fragte Julian sich, welche Farbe sie denn nun hätten. Erst dann wandte er den Blick ab, eigentlich viel zu spät. Was mochte der Kerl sich nur von ihm denken?
    Folgte er ihm jetzt tatsächlich mit seinem Blick, oder bildete Julian sich das bloß ein?
     

Kapitel 2
    Julian blickte ziemlich perplex auf das Gehege, das Fleisch in seiner Hand vergessen. Er hatte sich doch tatsächlich eingebildet, einen sechsten Wolf gesehen zu haben. Nein, das war lächerlich und noch dazu unmöglich. Er schüttelte den Kopf über sich und warf das Fleisch ins Gehege. Es kam nicht selten vor, dass er nach der Dämmerung noch einen Happen für seine Lieblingstiere sponserte. Wobei es ja eigentlich der Tierpark sponserte. Aber er war trotzdem der Einzige, der es außerhalb der Fütterungszeiten machte. Fast erwartete er ja, dass er mal deswegen Schwierigkeiten bekommen würde, doch bisher hatte sich noch keiner beschwert.
    ***
    Julian schlenderte durch den stillen Tierpark. Nur durch den Wald. Er wollte keine Tiere beobachten, er wollte nachdenken. Er blieb stehen, blickte gedankenverloren zu den Wölfen. Drei schlichen leise durch die Gegend. Genau wie er.
    Der Kerl, der ihm aufgefallen war, beschäftigte seine Gedanken. Immer wieder hatte er seinen Blick auf sich gespürt und Julian konnte sich nicht erklären, warum er das machte. Er konnte sich schon gar nicht erklären, warum der überhaupt scheinbar jeden Tag im Tierpark war. Immer öfter sah er ihn, wie er bei den Wölfen saß und das Treiben beobachtete. Das Treiben der Menschen wohlgemerkt, nicht das der Wölfe. Eindeutig, der Typ war irgendwie schräg drauf und Julian konnte sich nicht erklären, was diesen Eindruck so extrem machte. Gut, er sah den Menschen zu, doch da war er nicht der einzige. Es gab auch viele andere, die auf den Bänken eine Pause einlegten und die anderen Besucher beobachteten. Und trotzdem hatte er das
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