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Wolf

Titel: Wolf
Autoren: Jeany Lena
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Kapitel 1
    Julian drehte seine übliche Runde durch den Zoo. Eigentlich war er ja Tierpfleger, doch aus Mangel an Personal, war er auch abkommandiert worden, der Müllmann zu sein. Mehr oder weniger zumindest. Er sollte ein paar Mal am Tag durch den Tiergarten gehen und nach dem Rechten sehen. Übermütige Kinder galt es teilweise einzubremsen, verantwortungslose Eltern zu ermahnen und nebenbei sammelte er eben auch Müll ein, weil es die Menschen einfach nicht schafften, ihr Eispapier bis zum nächsten Mülleimer - die ohnehin an jeder Ecke standen - mitzunehmen.
    Aber er ärgerte sich schon lange nicht mehr darüber. Er nahm es einfach hin. Und genoss seinen Job. Wie viele Menschen konnten schon von sich sagen, dass sie mit ihrer Arbeit zufrieden waren?
    Doch er liebte es, sich um die Tiere zu kümmern, seine Favoriten waren die Wölfe, denen er den ganzen Tag zusehen könnte. Daher hatte er mit den anderen auch abgemacht, dass er dort seine Runden drehen würde. Ganz abgesehen davon, dass das Gehege der Wölfe praktisch mitten im Wald lag, wo es auch an heißen Sommertagen erträglich war. Dieser Wald zog sich einen Hügel nach oben, einige Wege schlängelten sich hoch. Ein paar Schaukästen waren dort angebracht und ganz oben gab es dann mehr oder weniger einen Bauernhof, der als Gasthof fungierte. Es war ein alter Hof, original erhalten, sodass selbst das zu einer Attraktion wurde.
    Er war gerade wieder unten angekommen, blickte auf das Treiben, als der Junge ihm wieder auffiel. Eigentlich müsste er ihn ja als jungen Mann bezeichnen, denn er war höchstens drei Jahre jünger als er. Aber er bewegte sich anders, gab sich anders, sodass er eben viel jünger wirkte, als sein Gesicht aussah.
    Schon seit zwei Wochen, hatte er ihn immer wieder gesehen, wie er durch den Tierparkt streifte. Sein Äußeres war nicht wirklich gepflegt. Seine Jeans würde vermutlich von alleine stehen, wenn man sie leer in einer Ecke platzierte. Bei seinem T-Shirt waren die Ärmel rausgerissen, was vielleicht noch irgendwie cool ausgesehen hätte, doch es war ebenfalls ziemlich verdreckt. Kurz seine Klamotten machten den Eindruck, als hätte er sie seit einer Woche ununterbrochen an und damit auf dem nackten Erdboden geschlafen. Ebenso wie seine Haare wild in alle Richtungen abstanden und ungekämmt wirkten. Dafür war es ziemlich ungewöhnlich an Farbe. Dunkelbraun, eigentlich schon schwarz, manchmal wirkte es fast rötlich. Sein Gesicht hingegen war sauber, was den schmuddeligen Eindruck zerstörte, wenn man hinsah. Allerdings waren da wieder diese Augen, die einen verwirrten. Diese Augen, die niemals still standen, immer von einem zum anderen zuckten, niemals irgendwo zu verweilen schienen, als wollte er alles sehen, alles wahrnehmen. Doch das Unheimlichste an ihnen war die Farbe. Julian wusste nicht wirklich, welche das war, denn dazu war er ihm noch nicht nahe genug gekommen - Gott sei Dank? Sie waren aber hell, so hell, dass es einem auch von Weitem auffiel und das wirkte unheimlich.
    Gerade da, marschierte eine Gruppe Halbwüchsiger an ihm vorbei. Julian sah genau, dass der Kerl ihnen ausweichen wollte, doch die Bande legte es darauf an, ihn zu schubsen. Er stolperte aber nicht, wie Julian angenommen hatte, sondern sprang viel mehr einen Schritt zurück. Einer schien ihm etwas zuzurufen, doch da war Julian sich nicht sicher, dafür stand er zu weit weg.
    Eine Sekunde folgten die Augen des Kerls, der Bande, dann zuckten sie wieder durch die Gegend. Erfasste er Julian wirklich mit diesem unheimlichen Blick? Verweilte er wirklich auf ihm?
    Julian wandte auf jeden Fall schnell den Kopf weg und drehte sich um. Langsam ging er einen der Wege wieder nach oben, konzentriert in das Wolfsgehege blickend. Sie waren kaum zu sehen, schon gar nicht, wenn man nicht wusste, wo man hinsehen sollte. Untertags waren sie meist versteckt, doch Julian fand trotzdem vier von den fünf Exemplaren.
     
    Am nächsten Tag, fiel der Kerl ihm wieder auf. Allerdings waren seine Klamotten sauber, was ein ungewöhnliches Bild war. Vermutlich hatte Julian deshalb schon dreimal an ihm vorbeigesehen. Ungewohnt war es zwar, aber durchaus ansprechend. Noch dazu, wo das Haar des Typen offensichtlich gewaschen war. Es stand zwar noch immer wirr von seinem Kopf ab, glänzte aber seidig in der Sonne, wobei es immer wieder rot aufblitzte. Unheimliche Augen, die ihn fixierten. Schnell wandte Julian den Blick ab, ging weiter. Dabei waren die Augen nicht wirklich unheimlich.
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