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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen
Autoren: H Fallada
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nachdenklich. »Heute nacht möchte ich dem sein Bett auch nicht sein!«
    Hinter der Kreisstadt kamen sie auf die Staatsstraße. Nach dem Gerumpel und stoßweisen Fahren der Nebenwege ging der Wagen fast leise und immer rascher über die glatte Chaussee – weiter, immer weiter.
    Pagel dachte trübe, was sie doch für eine seltsame Fuhre waren, jeder recht allein für sich, und er quälte sich, was er mit dem Mädchen wohl tun sollte, diese Nacht …
    Da sagte der Dicke: »Vor zwei können Sie kaum in Berlin sein; haben Sie schon überlegt, wo Sie mit ihr bleiben wollen? Zur Mutter –?«
    Pagel sah gespannt nach der dunklen Gestalt in der Wagenecke, aber sie rührte sich nicht.
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte er schließlich. »Die Mutterwohnt in einem Hotel, und ob ich da mitten in der Nacht mit – einer Kranken kommen kann? Und zu meiner Mutter? Es ist schon Schreck für die genug, wenn ich ohne Anmeldung hereinschneie.«
    Der Dicke sagte nichts.
    »Ich habe auch an ein Sanatorium gedacht«, fing Pagel wieder an. »Ich habe da einen guten Bekannten, einen Freund fast, der ist in einem Sanatorium angestellt. Aber heute nacht komme ich nicht mehr so weit. Ich weiß wirklich nicht …«
    »Sanatorien kosten viel Geld«, sagte der Dicke. »Und Geld ist knapp bei euch!«
    »Ja, wo soll ich denn hin mit ihr –?« rief Pagel.
    »Zur gnädigen Frau«, sagte Amanda. »Zur Mutter.«
    »Gut geschnattert!« lobte der Dicke. »Was Sie da sagen von Hotel und Nacht, das ist ja alles Unsinn. Sie ist doch die Mutter! Und wenn sie auch ausgekniffen ist und schlappgemacht hat, die Mutter ist sie, und jetzt wird sie nicht schlappmachen.«
    »Schön«, sagte Pagel.
    Aber er machte sich schon wieder Gedanken, was er Frau von Prackwitz auf alle Fragen antworten sollte. Denn er wußte ja gar nichts, und der Dicke würde ihm auch bestimmt keine weitere Auskunft geben.
    Der Dicke klopfte gegen die Chauffeurscheibe, es war heller im Wagen, Frankfurts Straßenlaternen schienen herein.
    »Ich steige hier aus«, sagte er. »Hören Sie, Chauffeur, bestätigen Sie … Der junge Mann hier zahlt die ganze Fuhre. Achtzig Pfennig kriegen Sie für den Kilometer – viel, junger Mann, aber die leere Rückfahrt ist mit einbegriffen. Auf 43750 stand Ihr Kilometeranzeiger, als wir losfuhren. Merken Sie sich das, Jüngling.«
    »Alles richtig«, sagte der Chauffeur. »Und Sie werden auch genug Geld haben, Herr? Es wird über dreihundert Mark machen!«
    »Habe genug«, sagte Pagel.
    »Dann ist’s ja gut«, sagte der Chauffeur. »Ein bißchen Bammel hatte ich doch.«
    »Geben Sie ihr noch eine warme Tasse Kaffee zu trinken hier in Frankfurt und etwas zu essen. Aber nicht im Lokal, reichen Sie’s ihr in den Wagen. – Gute Nacht!«
    Und damit hatte sich der Dicke schon umgedreht, ging …
    »Herr, Herr –!« rief Pagel, unnötig aufgeregt.
    Der Dicke winkte mit der Hand. Den steifen Hut auf dem Kopf, der fest zwischen den Schultern stak, ging er um eine Ecke, ging fort, in die Nacht hinein – auf Nimmerwiedersehen!
    »Chauffeur«, sagte Pagel, »halten Sie an irgendeinem kleinen Lokal, wenn wir ziemlich durch die Stadt sind. Wir wollen noch etwas essen.«
    »Gemacht«, antwortete der Mann, und wieder fuhren sie.
    Jetzt war es heller im Wagen. Die Lampen schienen herein, aber die dunkle Gestalt rührte sich nicht. Es war nur eine dunkle Gestalt, ein namenloser Fahrgast, das Gesicht in das Eckpolster gedrückt.
    »Nun sind wir mit ihr allein«, sagte Pagel bedrückt. »Fräulein – Fräulein Violet, möchten Sie etwas essen?«
    Er hatte es vergessen – nein, er hatte es nicht vergessen, er hatte es nicht über sich vermocht, zu ihr zu sprechen wie zu einem unverständigen Kind oder vernunftlosen Hund.
    Sie zitterte in ihrer Ecke, er fühlte es, er sah es – etwas rührte sie an. Verstand sie – wollte sie es nicht verstehen, konnte sie es nicht –? Das Zittern wurde stärker, ein Klagelaut ließ sich hören, nichts Artikuliertes – sondern wie manchmal ein Vogel in der Nacht allein klagt …
    Amanda machte eine Bewegung zu ihr hin. Warnend legte Pagel seine Hand auf die von Amanda, er bemühte sich, den kalten, leidenschaftslosen Ton des Dicken zu treffen: »Sei jetzt ruhig. Schlafe …«
    Später hielten sie.
    Amanda ging hinein. Amanda brachte, was nötig war. Aber Pagel sagte: »Iß – trink jetzt.«
    Schon fuhr der Wagen wieder weiter, eiliger in die Nacht hinein, auf Berlin zu. Pagel sprach: »Schlaf jetzt wieder.«
    Sie fuhren lange, es
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