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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen
Autoren: H Fallada
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Violet?!« rief Pagel.
    »Sitzt drunten im Wagen!« sagte der Dicke.
    »Was?!« schrie Pagel und sprang zitternd auf. »Was?! Und Sie lassen mich hier sitzen und sie warten?!«
    »Halt!« sagte der Dicke und legte ihm seine Hand wie eine nicht abzuschüttelnde Fessel auf die Schulter. »Halt, junger Mann!«
    Pagel sah ihn wütend an und wollte sich befreien.
    »Es stimmt nicht ganz, was ich Ihnen eben gesagt habe. Was da im Wagen sitzt, das ist das, was von Ihrem Fräulein Violet noch übrig ist. Bedenken Sie, zwei Monate lang ist sie systematisch von Sinn und Verstand geängstigt worden – von Sinn und Verstand! Sie verstehen mich doch –?«
    Er sah Pagel eisig an.
    »Ich weiß nicht«, sagte der Kriminalist finster, »ob ich ihrer Mutter einen Dienst tue, daß ich sie ihr wiederbringe. Ich habe auch nicht extra nach ihr gesucht – denken Sie das bloß nicht. Aber man hört viel, wenn man so weit im Lande herumkommt wie ich. Die alten Kollegen rechnen einen noch immer dazu, wenn die großen Bonzen mich auch abgesägt haben. Und da ist sie mir eben über den Weg gelaufen. Was soll ich mit ihr anfangen? Ich weiß auch nicht, ob Sie das Mädchen ohne weiteres der Mutter bringen können, das müssen Sie alles selber entscheiden. Sie darf hier nur nicht bei den alten Leuten bleiben. Bringen Sie sie diese Stunde noch mit einem Auto weg … Irgendwohin, wo Ruhe ist und Sicherheit. Wozu wollen Sie sich hier noch von dem alten Kaffer anschnauzen lassen?! Fort mit Ihnen!«
    »Ja …«, sagte Pagel gedankenvoll.
    »Nehmen Sie das dicke Frauenzimmer von der Diele mit. Schon, daß Sie eine weibliche Hilfe während der Fahrt haben und daß die Leute nicht noch mehr über Sie reden können.«
    »Gut«, sagte Pagel.
    »Sprechen Sie nicht sanft mit ihr und auch nicht hart. Sagen Sie nur das Nötigste: ›Setz dich dahin.‹ – ›Iß.‹ – ›Leg dich schlafen!‹ Sie tut alles wie ein Lamm. Keine Spur von eigenem Willen mehr. Sagen Sie immer du zu ihr und nennen Sie sie nicht Violet – sonst wird sie ängstlich.«
    Flüsternd: »Er hat sie immer bloß Hure angeredet.«
    »Hören Sie auf!« rief Pagel, und leise fragend: »Und er –?«
    »Er –? Wer –? Wen meinen Sie denn?!« rief der Dicke und schlug Pagel auf die Schulter, daß er wankte. – »Das wäre alles«, sagte er ruhiger. »Sonst – nichts weiter! Nichts – weiter! Packen Sie Ihren Kram zusammen, Sie können in den Wagen steigen, der unten hält. Bis Frankfurt fahre ich mit. Und dann noch eins, junger Mann, haben Sie Geld?«
    »Ja«, sagte Pagel. Zum erstenmal in letzter Zeit gab er es gerne zu.
    »Ich habe zweiundachtzig Mark Auslagen gehabt, die geben Sie mir jetzt gleich wieder. – Danke. – Ich stelle Ihnen keine Quittung aus, ich habe keinen Namen mehr, den ich unterschreiben mag. Aber wenn Ihre Gnädige fragt, sagen Sie ihr, ich habe sie frisch einpuppen müssen – sie war ziemlich abgerissen. Und dann noch ein bißchen Fahr- und Zehrgelder. Jetzt los mit Ihnen! Packen Sie, bringen Sie das dicke Frauenzimmer auf den Trab – in einer halben Stunde halte ich mit dem Wagen hundert Meter von hier nach dem Walde zu. Die Leute brauchen nichts zu merken.«
    »Aber kann ich Fräulein Violet nicht jetzt –?«
    »Junger Mann«, sagte der Dicke. »Haben Sie es bloß nicht so eilig. Das ist kein fröhliches Wiedersehen. Sie erleben es noch früh genug. Marsch! Ich gebe Ihnen dreißig Minuten.«
    Und er ging.

8
    Von den bewilligten dreißig Minuten gingen acht dafür verloren, der Amanda Backs zu berichten, was geschehen war, sie zu überzeugen, daß sie für das gnädige Fräulein ihr Federvieh geruhig einer völlig unsicheren Zukunft überlassen müsse, und sie dann zum Handeln zu bringen. Fünf weitere Minuten nahm der Weg zum Beamtenhaus in Anspruch, wo man packen mußte. Da man die gleiche Zeit für den Rückweg zum Wagen rechnen mußte, blieben nur zwölf Minuten für die ganze Packerei. So wurden es nur zwei Handkoffer, einer für Amanda, einer für Pagel.
    Wolfgang Pagel, der mit einem Ungetüm von Schrankkoffer seinen Einzug in Neulohe gehalten hatte, ging mit fast nichts. Aber er dachte nicht daran; er überlegte mehr, ob er dem Geheimrat nicht ein paar aufklärende Zeilen hinterlassen sollte. Es war ihm doch sehr zuwider, daß er morgen früh als ungetreuer Beamter und kläglicher Feigling von allen Mäulern zerrissen werden sollte. Er befragte Amanda.
    »Schreiben –?« fragte Amanda. »Was wollen Sie dem denn schreiben? Der glaubt Ihnen doch
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