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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen
Autoren: H Fallada
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muß keinesfalls sein. Aber wenn du es kannst und magst …«
    »Kannst und magst, Wolfi«, grollte sie. »Du bist ein Esel und wirst all dein Lebtage ein Esel bleiben. Wenn du etwas verlangen kannst, dann bist du bescheiden. Aber wenn dir etwas nicht zusteht, dann verbeißt du dich darin. Ich bin überzeugt, wenn du von deinen Patienten fünfzig Mark zu fordern hast, wirst du nach langem Überlegen fünf Mark liquidieren.«
    »Für das Rechnerische ist jetzt Peter da!« rief Wolfgang vergnügt. »Gerechnet habe ich für eine Weile genug!«
    »Ach, Peter«, grollte die alte Frau. »Die ist ja ein noch größerer Esel als du. Die tut ja bloß, was du willst!«

3
    Frau Pagel die Ältere hatte von je das junge Mädchen Petra Ledig mißbilligt. Sie mißbilligte es nicht weniger, als es Frau Pagel die Jüngere hieß. Sie fand, Ledig sei ein sehr passender, ein geradezu nach Maß geschneiderter Name für das Mädchen gewesen. Sie erklärte, indem sie eigene Vergehen in Ruhm verwandelte, ein Mädchen, das sich von seiner Schwiegermutter widerspruchslos Knallschoten hauen ließ, werde damit aufhören, den Mann zu backpfeifen. Schließlich kam es so weit, daß Frau Pagel senior nicht öfter als bloß werktäglich den Haushalt der jungen Frau besuchte. Sonntags hatte sie es nicht nötig, sonntags kamen die jungen Leute zum Essen zu ihr.
    Sie hatte dann eine verfluchte, unverschämte Manier, stocksteif und hölzern im Schmuck ihrer weißen Haare am Tisch zu sitzen, mit den Fingern auf der Tischplatte zu trommeln und jede Bewegung Petras mit ihren glühenden schwarzen Augen zu verfolgen, die jede andere junge Frau zum Wahnsinn gebracht hätte.
    »Ich würde mir das von ihr nicht bieten lassen!« sagte das alte Mädchen Minna empört. »Und ich bin doch nur das Hausmädchen, du aber die Schwiegertochter.«
    »Schönes Wetter heute«, das war die höchste Unterhaltung, zu der sich die alte Dame mit Wolfgangs Frau verstieg. »In der Markthalle gibt’s frische Flundern. Wissen Sie, was das ist: Flundern? Man muß ihnen die Haut abziehen. Na ja!« Und sie rieb sich mit dem Finger energisch die Nase.
    Sie machte Minna und Wolfgang vollständig irre und verzweifelt. Petra lächelte bloß.
    »Ein Kind aus dem Dutzend«, sagte die Schwiegermutter absprechend, wenn sie das Baby sah. »Nichts Pagelsches. Dutzendware!«
    Die arme Petra – Wolfgang war ja meistens in der Universität, wenn seine Mutter kam, und daß Minna nicht oft dabeisein konnte, dafür sorgte die Alte schon! –, Petra mußte all dies meistens allein über sich ergehen lassen. Wenn sie das Kind an die Brust legte, hatte die Alte eine Manier dabeizusitzen, zu starren und mit dem unverschämtesten Ton von der Welt zu fragen: »Na,
Fräulein
, gedeiht es –?«
    Jeder andern Frau hätte sich die Milch in Galle verwandelt.
    »Danke, es gedeiht, gnädige Frau«, lächelte Petra bloß.
    »Er hat abgenommen«, behauptete die Alte und trommelte hölzern.
    »I wo, er hat dreißig Gramm zugenommen. Die Waage …«
    »Ich richte mich nicht nach Säuglingswaagen, die stimmen nie. Ich richte mich nach meinen Augen, die stimmen. Er hat abgenommen, Fräulein!«
    »Jawohl, er hat abgenommen«, antwortete Petra.
    Frau Pagel die Ältere hielt hartnäckig weiter an der Auffassung fest, daß Petra ein lediges Mädchen sei, trotz Standesamt. »Da habt ihr ja wohl schon mal vor einem halben Jahr gehangen, und es galt auch nichts. Nein, alles bloß Augenverblendung und Täuschung.«
    »Aber ich wünsche wirklich, Mama –!«
    »Wünsch dir was zu Weihnachten, mein Junge!«
    »Daß ihr euch alle so täuschen laßt!« lachte Petra. »Die Mutter hat ja den größten Spaß daran. Manchmal, wenn sie denkt, ich sehe es nicht, schüttelt sie sich ordentlich vor Lachen!«
    »Jawohl, sie lacht dich aus, weil du dir alles von ihr gefallen läßt!« rief Minna empört. »So ein Schaf wie du hat ihr grade noch zum Schikanieren gefehlt!«
    »Wirklich, Petra«, bat Wolfgang. »Du solltest dir nicht alles von Mama gefallen lassen! Sie läßt sich immer mehr gehen!«
    »Oh, Wolfi!« lachte Petra vergnügt. »Habe ich mir nicht auch von dir alles gefallen lassen und habe dich schließlich doch untergekriegt?!«
    Wolfgang Pagel schwieg betroffen.
    Wenn man bedenkt, daß Frau Pagel senior im alten Westen, in der Tannenstraße, beim Nollendorfplatz, wohnte und daß die jungen Leute sich ganz draußen in der Kreuznacher Straße, beim Breitenbachplatz, eingemietet hatten, so mußte man sich über die Ausdauer
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