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Wohin mit mir

Wohin mit mir

Titel: Wohin mit mir
Autoren: Sigrid Damm
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Geschenk vor mir. Ich erwäge sogar, es zurückzugeben.
    Ich entsinne mich an den Tag, als es mir angeboten wurde. In Weimar, im November 1997 war es, die Schiller-Ehrengabe wurde mir überreicht. Beim Empfang fragte mich Dr. Konrad Scheurmann, ob ich mir vorstellen könne, einige Monate in Rom in der Casa di Goethe zu verbringen. Niemand wußte zu diesem Zeitpunkt etwas von meiner Arbeit über Christiane und Goethe. Wenige Wochen zuvor hatte ich, nach vier intensiven Arbeitsjahren, das Manuskript in der Einsamkeit des hohen Nordens beendet. Für Feinarbeit und Lektorierung würden noch ein gutes halbes Jahr nötig sein.
    Die Frage an dem Abend in Weimar. War es vielleicht der arme Lenz, dem ich sie zu verdanken hatte? Der Gedanke erwärmte mich. Man müsse sich bewerben,
das würden viele tun, so Dr. Scheurmann, aber ich hätte gute Chancen; er ermutigte mich, ich solle eine Art Arbeitspapier formulieren. Texte in Rom zu verfassen sei kein Zwang, ich könne auch die Zeit im reinen Anschauen der Stadt verbringen.
    Worüber ich schreiben könnte, war schnell in meinem Kopf: über Goethes Sohn, für den die Ewige Stadt der Ort des Todes wurde. Über den witzigen Johann Gottfried Herder, dem das leichtlebige Rom mißfiel, dem dort alles Gift und Ekel war, der darüber seinem Freund Johann Wolfgang bittere Vorwürfe machte, bis hin zu dessen Kleiderempfehlungen: Da schwätzt er und warnt mich vor dem schwarzen Rock und macht, daß ich den meinigen nicht mitnehme, und nun muß ich mir einen hier machen lassen … Oder über den Gescholtenen, über Goethe selbst könnte ich recherchieren, über dessen geheimgehaltene erotische Aventure in Rom, die ihm wohl nach der Rückkehr nach Thüringen erst den Blick auf die junge Frau aus der Weimarischen Armuth freigegeben hat. Als eine erzählerische Verführung , schrieb ich in meiner Bewerbung, stelle ich mir vor, wenn der Ort des zu beschreibenden Geschehens vor zweihundert Jahren und der Lebens- und Schreibort der Autorin zweihundert Jahre später – für eine Zeit – zusammenfallen.
     
    Ich gewann das Stipendium; für das zweite Halbjahr 1999 wurde es mir zugesprochen. Ich war überglücklich. Es war reichlich Zeit. Ich meldete mich zu einem Intensivsprachkurs an. Die letzten Arbeiten am Manuskript. Die Lektorierung durch Vera Hauschild vom
Leipziger Insel-Verlag. Auch Siegfried Unseld, mein Verleger in Frankfurt am Main, las. Ein erbitterter Streit um das a in Christian a brach aus, Siegfried Unseld trug den Sieg davon, sie blieb Christiane.
    Zu Goethes 249. Geburtstag, am 28. August 1998 – so bestimmte es mein Verleger –, sollte die Recherche (dieser Titel war von ihm) erscheinen. Ein durch die vielen Zitate in altmodischer Schreibweise nicht leicht zu lesendes Buch. 3500 Exemplare sollte die Erstauflage betragen.
    Dann erscheint es und verkauft sich überraschend gut. Für mich nach zwanzig Schreibjahren eine ungewöhnliche Erfahrung. Die Mitteilungen des Verlages, welchen Platz es auf den Bestsellerlisten einnimmt. Von den untersten Rängen klettert es weiter und weiter nach oben. Ich hatte solche Listen noch nie wahrgenommen, auch nicht, daß sie in großen Ketten oder in Bahnhofsbuchhandlungen aushingen, die Bücher in Regalen daneben. Ich entsinne mich, wie ich am Stuttgarter Flughafen erstmals davor stand. Ich fand mein Buch in der Rubrik Sachbuch, das irritierte mich, denn es war für mich kein Sachbuch. Und die Gesellschaft, in der es sich befand, ernüchterte mich ebenso. Meine Aversion gegen das Wort Bestsellerautorin, hat, glaube ich, dort in der Flughafenbuchhandlung in Stuttgart, ihren Ursprung.
    Mit dem Höherklettern auf den Listen nahmen die Anfragen für Interviews und Lesungen zu. Ständig waren Laufschritte in meinem Rücken. Alles annehmen, oder? Im Verlag selbst gab es dazu offenkundig unterschiedliche Auffassungen.
    Bis heute bin ich der Pressefrau des Verlages dankbar, sie stoppte, kanalisierte, wählte aus. Heide Graßnick fand schnell heraus, daß ich zum einen unerfahren war, zum anderen nicht zu der Kategorie Autoren gehörte, die Gefallen an Medienauftritten finden. Weniges, aber Substantielles müsse man machen, sagte sie. Das in ihren Augen nicht Wichtige leitete sie gar nicht an mich weiter, es blieb auf ihrem Schreibtisch liegen. Ich war zufrieden, wie sie verfuhr. Sie wurde mein Schutzengel. Ich lernte viel von ihr. Es ist mir bis heute wichtig.
    Auch Kurioses gab es. Ein Beitrag des Fernsehens. Was ist sensationell an ihrem Buch,
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