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Wogen der Leidenschaft - Roman

Wogen der Leidenschaft - Roman

Titel: Wogen der Leidenschaft - Roman
Autoren: Janet Chapman
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so große Ruhe, eine Einfühlungsgabe und Einsicht, so tief, das sie nur ehrfürchtig staunen konnte– und zuweilen fast eingeschüchtert war.
    Als Michael zehn wurde, wunderte sie sich nicht mehr und hatte gelernt, sich mit der Tatsache abzufinden, dass sie mit einem erwachsenen, wenn nicht gar alten Mann zusammenlebte. Hatten die Umstände sie zum Familienoberhaupt gemacht, so war Michael so etwas wie ein guter Onkel.
    Und jetzt, mit fünfzehn, ließ Mikey ihr großzügig die Illusion, dass sie das Sagen hatte, wenngleich er es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, ihr bei Gelegenheit Anweisungen zu geben– meist, wenn sie müde oder frustriert oder ratlos war. Und wie eine gute Tante hörte sie immer auf ihn und ließ sich herumkommandieren oder verwöhnen, was eben im Moment angebracht war.
    Emma nahm den Waschlappen von ihren Augen und gönnte sich eben einen Schluck Bier, als sie hörte, dass die Hintertür zugeschlagen wurde.
    » Schläft er endlich?«, fragte Mikey, als er das Wohnzimmer betrat.
    Emma faltete den Waschlappen sorgfältig zusammen, während sie zusah, wie er schweigend durch den Raum auf sie zukam und sich über sie beugte, groß und schlaksig und doch mit einer gewissen Anmut.
    » Unser Patient schläft wie ein Murmeltier.«
    Michael schnaubte.
    » Ein Murmeltier mit Raubtierfängen. Draußen am Smokey Bog dachte ich schon, du würdest ihm gehörig die Meinung sagen.«
    » Hast du seine Klauenabdrücke vom Armaturenbrett wegbekommen?«
    » O Gott, Nem. Man möchte meinen, ein erwachsener Mann könnte ein wenig Aufregung verkraften, ohne gleich durchzudrehen– es war zwar knapp, aber du hast uns heil in die Luft gekriegt.«
    » Er hatte gerade eine wüste Prügelei überstanden und wollte nicht in zwölf Meter Höhe eine Fichte zieren.«
    Michael grinste.
    » Du hast ja auch nur einen ganz winzigen Ast gestreift.« Er runzelte die Stirn, als er den Waschlappen sah.
    » Wieder Kopfschmerzen?«
    » Nein. Ich entspanne mich nur. Sind alle für die Nacht in ihren Hütten untergebracht?«
    Er nickte.
    » Hütte drei möchte wieder bei Tagesanbruch hinaus. Offenbar hat das kleine Schwimmabenteuer die Typen nicht entmutigt.« Er sah sie mit trügerisch unschuldigem Blick erwartungsvoll an.
    » Ich könnte mir den Tag von der Schule frei nehmen und die Vogeljäger aus Hütte fünf führen. Jemand sollte hierbleiben und Mr Jenkins im Auge behalten. Da seine Wortwahl mich verderben könnte, solltest du Krankenschwester spielen.«
    Emma schüttelte den Kopf.
    » Schule wird nicht geschwänzt. Und wenn ich mit diesem verwundeten… Bären im Haus bleibe, bringe ich ihn wahrscheinlich um. Außerdem habe ich eben angerufen und verabredet, dass Durham morgen Hütte fünf führt. Wenn er für mich arbeitet, wird er vielleicht keinen Unfug machen.«
    » Unglaublich, dass diese Abholzungsdebatte in Gewalt ausartet. Es gäbe bessere Möglichkeiten, um das Problem zu lösen. Die Typen hätten Mr Jenkins ernstlich verletzen können.«
    » Drei gebrochene Rippen, eine Gehirnerschütterung und eine Kniezerrung sind keine Lappalie.«
    Michael ging daran, ein Feuer im Kamin zu machen. Mit dem Rücken zu ihr fragte er:
    » Kommt Mr Jenkins dir nicht bekannt vor, Nem?«
    » Warum?«
    Der Junge zog die Schultern hoch und hielt ein brennendes Streichholz an sein Werk.
    » Aus keinem besonderen Grund. Ich dachte nur, er könnte vielleicht schon früher mal hier gewesen sein.«
    » Ich kann mit Sicherheit sagen, dass Medicine Creek Camps nie das Vergnügen seiner Anwesenheit hatte.«
    » Du willst ihn hier im Haupthaus behalten?«
    » Eine Weile. Hast du damit ein Problem?«
    Er legte Scheite auf die knisternden Späne.
    » Kein Problem. Aber im Moment hast du viel um die Ohren. Und wenn ich in der Schule bin, bist du ganz allein, rennst in alle Richtungen und versuchst, es jedem Sportsfreund recht zu machen, der ein paar Vögel jagen möchte.« Er sah sie besorgt an.
    » Und nächste Woche beginnt die Jagd auf Elche.«
    Emma warf ihm den Waschlappen zu und stand auf.
    » Dann wird es Zeit, dass du mir hilfst, unserem Pitiful ein orangefarbenes Band um den Hals zu legen.«
    Er fing den Waschlappen locker auf und richtete sich auch auf.
    » Ich werde mich hüten, dem dämlichen Vieh auch nur nahe zu kommen. Eine zielgenaue Kugel wäre ein Segen für ihn. Er schafft es nie über den Winter.«
    » Sicher schafft er es. Pitiful ist ja nicht dumm.«
    » Nein? Der Dummkopf ist in dich verliebt. Ein zweijähriger Elch sollte den
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