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Wofuer es sich zu sterben lohnt

Titel: Wofuer es sich zu sterben lohnt
Autoren: Åsa Nilsonne
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dich.«
    Das half sonst immer, aber diesmal reagierte Greta nicht.
    Helena musterte besorgt die ungewaschenen Haare ih rer Großmutter, den von Krümeln und ungeöffneter Post übersäten Küchentisch. Es war unbegreiflich, aber sie konn te nichts daran ändern, deshalb gab sie Greta noch einen Kuss, dann schmierte sie sich einige Brote, da es sonst of fenbar nichts zu essen gab, und ging auf ihr Zimmer.
    Greta war plötzlich wieder in der Vergangenheit. Als sie versucht hatte, mit einem Gott zu verhandeln, an den sie nicht glaubte. Während sie auf die Mitteilung wartete, ob auch Helena mit Cassies Hepatitis infiziert sei, hatte sie immer wieder gemurmelt: Mach, dass sie gesund ist, dann werde ich alles für sie tun.
    Mach, dass sie gesund ist, dann werde ich sie konfirmie ren lassen.
    Mach, dass dieses bleiche, kahlköpfige Menschenkind, das hier schläft, als sei die Zukunft licht, ohne Ansteckung davongekommen ist.
    Gib ihr ein langes Leben, Gott, lass sie zu einer erwach senen Frau heranwachsen. Und Helena war gesund gewe sen.
    Aber jetzt konnte Greta nicht mehr.
    Damals hatte sie gedacht, Gott wäre die höchste Instanz, an die man sich wenden konnte, wenn es sonst nichts mehr gab. Aber jetzt war Gott verschwunden, verbraucht, diesmal gab es keine höhere Instanz, die sie anrufen konnte.
    Einige Stunden darauf weckte sie Helena, indem sie ihr sanft über die Wange strich.
    »Helena … kannst du dich daran erinnern, als deine Mut ter Cassie sehr krank war, zum Schluss?«
    Helena konnte sich nicht daran erinnern, aber sie hatte diese Geschichte so oft gehört, dass sie ihr vorkam wie ein schönes Gutenachtmärchen.
    »Weißt du noch, dass sie gesagt hat, die Engel riefen nach ihr?«
    Helena lächelte schlaftrunken und sagte: »Die Engel rie fen sie, weil sie wollten, dass sie zu ihnen kam.«
    »Weiß du, ich habe die Engel auch rufen hören. Hörst du sie, Helena?«
    Helena lauschte ein wenig und sagte verschlafen:
    »Ich höre keine Engel.«
    Dann fügte sie ängstlich und ein wenig wacher hinzu:
    »Jedenfalls glaube ich das nicht. Vielleicht ein bisschen. Ganz leise.«
    Und als sie begriffen hatte, was von ihr erwartet wurde, sagte sie noch: »Ja, jetzt höre ich sie. Sie singen - wunder schön.«
    Ihre Großmutter sah sie an. Ihre Wangen waren einge sunken, das fiel Helena jetzt auf, und sahen seltsam aus. Es war unangenehm, es war, als sei ein anderer Mensch in den Körper der Großmutter eingezogen und schaue aus roten, schwer zu deutenden Augen heraus.
    »Rufen sie dich, Helena? Wollen sie, dass du zu ihnen kommst?«
    Jetzt kannte sie jedenfalls die richtige Antwort. Sie sah ihre Großmutter mit ernster Miene an und sagte voller Überzeugung:
    »Ja, das tun sie. Sie wollen, dass ich auch zu ihnen kom me.«
    Ihre Belohnung lag darin, dass das Gesicht der Großmut ter vor Erleichterung ganz glatt wurde.
    »Ich hole dir eine Tasse warmen Kakao, dann kannst du besser wieder einschlafen.«
     
    Mariam klingelte derweil bei dem Nachbarn aus dem obe ren Stockwerk. Seine Tür war extrem verstärkt, und dahin ter bellten und heulten die Hunde.
    »Still! Verdammt noch mal - haltet endlich die Schnau zen!«
    Ein Hund kläffte noch einmal und verstummte dann. Der andere setzte zu dem leisen, intensiven Knurren an, das sich wie ein Aufwärmen vor dem nächsten Ausbruch anhörte.
    »Johnny, ich bin’s, Mariam. Und jetzt brauche ich Hilfe.«
    Sie hatte mindestens einen Gefallen gut, seit damals, als sie sich um einen übel zugerichteten Kumpel von John ny gekümmert hatte. Er hatte nicht gefragt, woher sie ihre Kenntnisse hatte, und sie hatte nicht gefragt, worum es bei dem Streit gegangen war. Seit damals hatten sie eine gute, wenn auch begrenzte nachbarliche Beziehung. Er öffnete die Tür einen vorsichtigen Spalt. Die Hunde pressten ihre stumpfen Nasen an die kleine Öffnung: Wer ist da? Was passiert? Sie keuchten und kläfften.
    »Glaubst du, ich könnte deine Hunde für einige Tage ausleihen?«
    Die Hunde kratzten auf dem Dielenboden, sie spran gen auf der Stelle hin und her, versuchten, sich durch den schmalen Spalt zu pressen.
    »Warte.«
    Dann verschwand zuerst die eine, dann die andere Nase, und schließlich Johnny selbst. Nach einer Weile war er wie der da und öffnete die Tür.
    »Besser, du kommst rein.«
    Mariam hatte keine Ahnung, wie ein Schwede mit unre gelmäßigen Arbeitszeiten, viel Besuch und zwei bissigen Wachhunden wohl wohnen mochte. Deshalb überrasch te es sie auch nicht, dass die Wohnung sauber
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