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Wofuer es sich zu sterben lohnt

Titel: Wofuer es sich zu sterben lohnt
Autoren: Åsa Nilsonne
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dollarscheinen aus einer Plastikmappe. Sie waren neue, un gefaltete Scheine, sie wiesen keinerlei Fasern aus seiner Ta sche oder irgendwelche Fingerabdrücke auf. Er verstreute sie auf dem in sich zusammengesunkenen Körper des Pro fessors. Er fand das unnötig theatralisch, aber sein Auftrag geber hatte eben zu bestimmen. Wenn dieser die Leiche mit Dollarnoten dekoriert haben wollte, ja, dann bekam er seine Dollarnoten.
    Er nahm die Röntgenbilder vom Leuchtschrank, schob sie wieder in den Umschlag und zog die Handschuhe aus.
    Dann ging er zum Telefonhörer. Mit dem Zeigefingerna gel tippte er dreimal gegen die Sprechmuschel und hörte ein Klicken, als die Verbindung unterbrochen wurde.
    Der Auftrag war ausgeführt.
    Der Hörer sollte liegen bleiben. Der Anruf war über die Telefonzentrale gelaufen und konnte nicht zurückverfolgt werden.
    Das Ganze hatte nur zehn Minuten gedauert, und es wür de mindestens weitere fünfunddreißig Minuten dauern, bis jemand sich ins Zimmer des Professors wagte.
    Er ging wieder hinaus auf den geschäftigen Gang und spazierte langsam zurück zu dessen Ende. Er musste sich Mühe geben, um langsame Schritte zu machen. Schließlich erreichte er den Fahrstuhl, und bald befand er sich draußen auf der Straße, auf dem Weg zum Flughafen.
    Er hatte bisher nicht gewusst, dass es in seinem Metier Sinekuren gab, leichte und ungefährliche Arbeiten, für die sehr gut bezahlt wurde.

Genf, 2002
    Zu spät.
    Sie kam zu spät. Schon wieder. Sie unterdrückte den Impuls, sich zu beeilen - alle Ansprüche an sie mussten schließlich irgendwo eine Grenze haben.
    Stattdessen schlenderte sie langsam in den dunkler wer denden Abend hinaus.
    Als sie endlich die Wohnungstür aufschob, sah sie, dass die Luft drinnen grau vor Rauch und gelb vor Bier war.
    Das war unmöglich. Der schwere Biergeruch konnte doch nicht sichtbar geworden sein?
    »Mariam! Bist du das?«
    Sie gab keine Antwort, sondern lief in die Küche und fing an, mit den Kochtöpfen zu klappern. Das würde ihn sicher beruhigen - das Geräusch einer Frau, die, wenn auch ver spätet, Essen kocht.
    Aber nein. Plötzlich stand er in der Tür, obwohl es im Fernsehen Fußball gab.
    Ungewaschen, angetrunken, teilnahmslos.
    »Und was zum Teufel war in diesem Scheißkrankenhaus diesmal wieder wichtiger als deine Familie?« Seine unsiche re Stimme klang so verloren wie er selbst. »Brauchte Seine Hoheit der Professor deine Hilfe? Oder ein armer Trottel, der nicht in Ruhe sterben durfte? Irgendein hilfloses Wrack, das du noch bis zur letzten Sekunde quälen musstest?«
    Er kam schwankend auf sie zu. Sie wich zurück. Er beug te sich zu ihr vor, redete auf sie ein, sein Gesicht war viel zu dicht an ihrem, seine Stimme viel zu laut.
    »Du hast die Chance deines Lebens. Ich dagegen habe kein Leben. Ich muss den Babysitter eines Fünfzehnjähri gen spielen, der nie zu Hause ist. Und dir ist das egal, denn du denkst nur an dich.«
    Sie konnte nicht weiter zurückweichen, der Küchentisch bohrte sich in ihre Oberschenkel, in ihren Ohren kreischte es. Er kam noch immer auf sie zu, bald würde sich sein gan zer heißer, ungewaschener Körper an ihren drücken.
    Sie brüllte zurück: »Schrei mich nicht an. Und meine Schuld ist es nicht, dass du nichts zu tun hast. Kann ich dafür, dass du den gan zen Tag auf dem Sofa sitzt und rauchst? Und was glaubst du eigentlich, wie schön das Nachhausekommen ist?«
    Wieder hatten sie eine oft betretene Sackgasse erreicht.
    Sie versuchte, ihn wegzuschieben.
    »Mach, dass du wegkommst. Du zerquetschst mich ja. Und du stinkst schlimmer als ein Penner.«
    Sie sah seine Hand nicht kommen, sie spürte nur den Knall des Trommelfells, das tief in ihrem einen Ohr barst, merkte, wie die Kraft seines Schlages sie an die Wand press te. Ausnahmsweise war ihm ein Volltreffer gelungen.
    Danach geschah etwas ganz Neues, etwas, das ihr größe re Angst machte, als er selbst ihr einjagen konnte. Die Wut, die sie Monat für Monat unterdrückt hatte, überwältigte sie jetzt. Sie durchjagte sie, rasch wie elektrischer Strom, und riss die Herrschaft an sich.
    Sie ließ sie den nächstbesten Gegenstand an sich reißen, ein Schneidebrett, und, so hart sie konnte, damit gegen sei nen Kopf schlagen.
    Die Schuldgefühle, die sie bisher abgehalten hatten, wa ren verflogen. Die Liebe war verflogen. Die Gedanken an Gesetze, Verbrechen und Strafe waren verflogen.
    Sie wollte ihn nur noch vernichten. Wollte sein schweiß nasses Gesicht loswerden, seinen
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