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Wofuer es sich zu sterben lohnt

Titel: Wofuer es sich zu sterben lohnt
Autoren: Åsa Nilsonne
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anderen Leben konnte er ein Esstisch gewesen sein, er hätte auch in einem Mädchenzimmer oder einem La den stehen können. Aber jetzt beherbergte er eine bunte Mischung aus Krankenberichten, Büchern und Stiften in ihrem Büro in dem kleinen Krankenhaus, in dem sie jede Woche einen Tag arbeitete. Ihre Sekretärin brachte die Post und einen duftenden kleinen Macchiato.
    Genf in allen Ehren, aber die Schweizer konnten ihren Ärzten einfach keinen guten Kaffee bieten. Und sie hatten vor ihren Fenstern auch keine schönen dunkelgrünen Eu kalyptusbäume. Mariam öffnete das Fenster um noch eini ge Zentimeter. Auch das hätte sie im Krankenhaus in Genf nicht machen können. Die Fenster dort hatten sich nicht öffnen lassen.
    Jetzt saß sie im Erdgeschoss. Durch das offene Fenster hörte sie das leise Stimmengemurmel aus dem großen War tezimmer auf der anderen Seite des kleinen Innenhofes, sie hörte Vögel, die flirteten, lockten und warnten. Alle ande ren Geräusche wurden übertönt vom schrillen Geschrei ei nes der vielen Esel der Stadt, der etwas zu sagen hatte, das nur seine Artgenossen verstehen konnten.
    Sie schloss für einen Moment die Augen und lauschte. Sie war an genau dem richtigen Platz. Sie dachte an Mike, der sich so geirrt hatte.
    Es war nämlich alles gut geworden. Fast vollkommen.
    Sie sah ihre Post durch. Da lag wieder ein länglicher wei ßer Umschlag, mit ihrem Namen in großer, flüssiger Hand schrift versehen. Sie lächelte, schüttelte ein wenig den Kopf und zog die Karte heraus, auf der geschrieben stand:
     
    Mariam!
    Mariam! Mariam! Mariam! Mariam!
    Dein
    S. A.
    PS: So sieht es im Moment in mir aus. Iss mit mir zu Abend, oder zu Mittag, oder was immer du willst.
    Sie drehte die Karte um und noch einmal um, las sie lang sam und horchte auf ihre eigene Reaktion.
    Zeigte sie Interesse?
    S. A. war Salomon Assefa, und sie hatten sich zehn Tage zuvor auf einem Fest kennengelernt. Sie hatte gewusst, wer er war. Die Salomon Assefa Show war eine der meistgese henen Fernsehsendungen des Landes. Wenn etwas passier te, war Salomon zur Stelle. Er war sympathischer gewesen, als sie sich vorgestellt hatte. Aber Abendessen? Mittag?
    Warum nicht? Seit ihrer Rückkehr aus Genf verbrachte sie all ihre Zeit damit, zu arbeiten und ihr Leben zu organisie ren. Sie hatte ihren Bruder ausbezahlt und das gemeinsame Haus hinter der britischen Botschaft übernommen. Theo war auf die beste Schule der Stadt gekommen.
    Ihr Chef hatte recht gehabt - sie konnte jetzt mehr ver dienen. Ihre neuen Kenntnisse hatten einen hohen Markt wert, und sie war immer schon bereit gewesen, hart zu ar beiten. Während dieser Zeit hatten Männer gelegentlich durchaus herauszufinden versucht, ob sie zugänglich sei. Aber sie hatte sich diese Männer durch Selbststeuerung vom Leib gehalten, ohne Engagement. Bei Salomon war das anders - er hatte ihr Interesse geweckt.
    Aber sie wollte jetzt nicht an ihn denken, ein Assistenz arzt hatte sie um Hilfe gebeten, und sie hatte versprochen zu kommen, sowie sie ihre Post geordnet hätte.
    Als sie die Röntgenbilder durchgesehen hatten, fragte der Assistenzarzt:
    »Stimmt es, dass in Genf alle Apparate funktioniert ha ben?«
    Mariam nickte.
    In dem kleinen Krankenhaus waren viele Geräte defekt. Die schweren Apparate standen zumeist noch immer dort, wo sie ihren Geist aufgegeben hatten, teilweise auseinan dermontiert, wie zerfallene Dinosaurierskelette. Der Assis tenzarzt strich vorsichtig über eine Reihe von Hebeln, die an nichts mehr angeschlossen waren.
    »Ich finde die schön«, sagte sie. »Auch wenn sie nicht funktionieren.«
    Dann stellte der Assistenzarzt erwartungsvoll die allwö chentliche Frage:
    »Gibt es etwas Neues über das Röntgenzentrum?«
    Mariam lächelte.
    »Ja. Ich habe jetzt einen Überblick über das Patienten potenzial, und das sieht richtig gut aus. In fast allen Nach barländern besteht großes Interesse. Es gibt Leute genug, die eine Untersuchung brauchen, die aber kein Visum für die Länder bekommen, in denen solche Untersuchungen durchgeführt werden. Es besteht kein Mangel an Leuten, die es sich leisten könnten, herzukommen und viel zu be zahlen.«
    Der Assistenzarzt hob den Daumen.
    »Wenn wir nur die Finanzierung schaffen«, sagte Mariam dann. »Später möchte ich Ausbildungsplätze an ausländi sche Röntgenärzte verkaufen. Dann hätten wir plötzlich Geld genug - wir könnten erweitern, mehr Leute mit Spit zenkompetenz einstellen. Jetzt suche ich gerade einen gut
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