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Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Titel: Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
Autoren: Lydia Mark;Benecke Benecke
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Einleitung
    Argh, wie man sich doch irren kann. Nachdem die kleine Trilogie aus den Büchern Mordspuren (kniffelige Fälle und Serienmord, oft aus Sicht der Täter), Mordmethoden (spannende Ermittlungen, meist aus Sicht der Ermittler) und So arbeitet die moderne Kriminalbiologie (biologische Spuren am Tatort) erschienen waren, teilte ich dem Verlag mit, dass ich beim besten Willen keine neuen Themen mehr im Angebot hätte. Auch das Vorschicken der bezaubernden Lektorinnen, eine leckere Dinner-Einladung sowie ein fantastisches Fläschchen Apfelschnaps konnten das nicht ändern.
    Das wäre es also gewesen – wenn nicht kurz darauf meine Frau Lydia einen gigantischen Berg Papier vor sich aufgestapelt hätte. Den Inhalt kannte ich: Es war die Akte des Serientäters Luis Alfredo Garavito, der in Kolumbien über dreihundert Jungen zu Tode gefoltert hat. Im Alltag überaus sanft, ja geradezu weichlich, ist mir der in seinen Taten so brutale Mann bis heute vor allem deshalb gut in Erinnerung, weil er bei meinen Besuchen immer die Kaffeetassen vertauschte. Ich kriegte seine, er meine. Immer. Begründung: Sein Kaffee könnte ja vergiftet sein.
    Dass ich stürbe, hätte ihm die Gefängnisverwaltung tatsächlich einen Giftcocktail zugedacht, war ihm wurscht. So lernte ich jemanden kennen, der die Gefühle anderer einfach nicht versteht – nicht einmal dann, wenn er sich damit mörderisch unbeliebt macht. Dazu passte auch Garavitos Abschiedsgeschenk an mich: Eine Bibel mit der Widmung: »Gott versteht mich, die Menschen nicht.« Damit hat er vielleicht sogar recht, dachte ich.
    »Ist dir eigentlich aufgefallen«, fragte mich Lydia nun, »dass es da einige interessante Tests in der Akte gibt? Du musst sie beim letzten Besuch in Kolumbien durchgeführt haben.«
    Nein, das wusste ich nicht mehr. Stattdessen erinnerte ich mich, damals stundenlang vor dem Gefängnis in der glühenden Sonnegesessen und mir dabei meine Füße komplett verbrannt zu haben. Verflucht seien alle Sandalen dieser Welt! Schuld an meinem Fußrückenbrand war eigentlich die Übersetzerin. Sie hatte die Tests morgens mit in den Knast genommen, denn ausgerechnet an diesem Tag musste sie alleine zu unserem Täter: Es war Frauentag, das heißt, nur Frauen durften ins Gefängnis. Ich hatte sie noch angefleht, sich nicht von Garavito umgarnen zu lassen. Acht Stunden und gefühlte zwanzig Flaschen Limo später kam sie wieder. »Er hat so interessant erzählt«, meldete sie fröhlich, »warum hätte ich früher gehen sollen?«

    Die Bildertests hatte ich recht zufällig herausgesucht, weil ich mir einfach nicht erklären konnte, warum der von Grund auf nette Mann Dinge getan hatte, die bereits mit einem Mindestmaß an Einsicht dazu führen müssten, dass man sich – anstatt die Taten zu begehen – entweder einweisen lässt oder von einer Brücke springt. Was war in Garavitos Gehirn so anders, dass er Kindern lebend den Kopf abschnitt, während er andere, gefesselte Kinder dabei zusehen ließ? Wie schaffte er es, sogar im Gefängnis unerkannt zu bleiben und von dort unter falschem Namen beinahe wieder freigelassenzu werden? Wie hatte er das Gericht dazu gebracht, eine Höchststrafe von nur fünfundzwanzig bis vierzig Jahren auszusprechen, wenn selbst der aufgeklärteste Mensch eine lebenslange Sicherheitsverwahrung fordern müsste? Und warum war der örtliche Priester davon überzeugt, dass sein Schäfchen Garavito durch die Taufe zu einem besseren Menschen wurde?
    Zwar habe ich auch Psychologie im Nebenfach studiert, aber als herzenstief der Biologie verschriebener Student interessierte mich nicht so sehr die Software des Menschen als dessen harte Verdrahtung mit Nerven- und Sinneszellen. Den Beweggründen eines Serienmörders lässt sich so aber nicht auf die Spur kommen.
    Kurz gesagt, der Fall Garavito steckte damals fest. Ich wusste nur absolut nicht, wo. Weil ich im Denken sehr schlicht, im Rumprobieren aber umso größer bin, hatte ich daher einfach den Stapel Tests eingepackt, bei dem die Aufgaben aus simplen Bildern bestehen (siehe Abb. unten). Ich dachte, das würde eventuell die Kommunikation mit Garavito erleichtern. Leider fiel auf das für den Besuch festgelegte Datum der erwähnte Frauentag. Die Auswertung des Tests hatte ich danach offenbar aufgrund meines von Limo erweichten Hirns und der durchaus nagenden Sorge um die beim Besuch des Serientäters verschollene Übersetzerin aus den Augen verloren.

    »Das ist ja lustig«, sagte Lydia mit ihrem
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