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Wofuer es sich zu sterben lohnt

Titel: Wofuer es sich zu sterben lohnt
Autoren: Åsa Nilsonne
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und aufge räumt war, sparsam eingerichtet mit weißen Ledersofas und schweren Glastischen.
    Die Hunde heulten in einem anderen Zimmer und war fen ihre schweren Leiber gegen die Tür. Die klang, als ob sie bald nachgeben würde.
    Johnny sah Mariam besorgt an.
    »Erwartest du ungebetene Gäste?«
    Mariam dachte an ihre toten Kollegen, und ihr schau derte.
    »Das kannst du wohl sagen.«
    »Und du glaubst, jemand wird zu dir nach Hause kom men?«
    »Ich bin nicht sicher, aber hier bin ich doch zu finden.«
    Johnny nickte und überlegte für einen Moment.
    »Die Hunde kann ich dir nicht geben, die gehorchen nur mir. Aber ich habe eine Idee, warte einen Moment.«
    Er kam mit einem abgegriffenen Karton zurück und reichte ihn Mariam.
    »Nimm das hier, das müsste reichen. Ich zeige dir, wie das funktioniert.«
     
    Helena saß aufrecht in ihrem schmalen Bett. Sie drückte ihren kuscheligen Eisbären an sich, aber das half nicht so gut wie sonst.
    Die Sache wurde auch nicht besser, als Greta mit zwei dampfenden Bechern zurückkam. Helena erkannte sie, sie waren alt und mit verblichenen Schlümpfen bedruckt.
    »Das waren Cassies Lieblingsbecher«, erklärte Greta viel zu laut. »Cassie hätte gewollt, dass wir jetzt daraus trin ken.«
    Helena wich im Bett zurück. Greta, die sonst immer so gut roch, füllte das Zimmer mit einem scharfen Gestank. Ihre rot unterlaufenen Augen sahen wild und fremd aus, als sie Helena den Becher hinhielt.
    »Trink, Herzchen, trink aus.«
    Helena, die immer tat, was ihr geheißen, trank einen Schluck Kakao, hielt aber mitten in der Bewegung inne.
    Es schmeckte nicht gut. Es war zu süß und zugleich zu bitter. Sie wollte schon protestieren, aber Gretas Gesicht war zu nah, ihre kleinen roten Augen waren so beängs tigend, dass Helena zum ersten Mal seit langer Zeit be schloss, nicht zu gehorchen. Sie presste die Lippen zusam men, hob den Becher und schluckte.
    Das war ein Trick, den sie von einer magersüchtigen Klas senkameradin gelernt hatte. Sie schluckte wieder. Das war schwer, ihr Mund war vor Schreck wie ausgedörrt.
    Greta konnte sonst nie an der Nase herumgeführt wer den, aber die neue Greta mit den kleinen roten Augen gab sich damit zufrieden, was sie sah. Sie griff zu ihrem eigenen Becher, kniff die Augen zusammen und leerte ihn in einem einzigen langen, mühsamen Zug.
    Helena goss ihren Kakao in eine halbleere Chipstüte, die sie zwischen das Bett und die Wand gesteckt hatte.
    »Jetzt«, sagte Greta mit funkelnden Augen. »Jetzt werden wir bald alle drei wieder zusammen sein.« Sie nahm Hele nas leeren Becher und ging mit seltsamen schweren Schrit ten zur Tür.
    Am Ende schlief Helena ein, im Sitzen und an die Wand gelehnt. Als sie einige Stunden später erwachte, schaute sie lange in die Dunkelheit. Greta, die für sie ihr ganzes Le ben lang Geborgenheit bedeutet hatte, war verschwunden und hatte eine unendliche Bedrohung hinterlassen. Helena wagte kaum zu atmen - plötzlich war das Vertraute unbere chenbar. Plötzlich gab es nirgendwo noch Sicherheit.
    Als sie endlich wagte, sich hinzulegen, lag Greta regungs los auf dem Küchenboden.
    Sie war wieder verschwunden, und diesmal blieb ihre Hülle verlassen zurück.
     
    Einige Minuten später rief Helena bei Matildas Eltern an. Sie weinte so sehr, dass Matildas Mutter Marie kaum hören konnte, was sie immer wieder sagte:
    »Ich habe keine Engel gehört. Nicht richtig.«

Freitagvormittag
    Zehn Uhr war eine gute Zeit, um ein Haus zu betreten. Die meisten, die arbeiteten oder zur Schule gingen, waren schon unterwegs. Zurückgeblieben waren frischgebackene Mütter, Arbeitslose, Freiberufler, Teenager, die verschlafen hatten, und der ein oder andere Lohnarbeiter mit Gleitzeit. Er brauchte meistens nicht lange zu warten, und wenn sie kamen, waren sie oft allein, was bedeutete, dass er nur sel ten auf Widerstand traf, wenn er ein Haus betrat. Die, die ihn eingelassen hatten, gingen meistens mit einem unan genehmen Gefühl im Bauch weiter, weil es nicht richtig ge wesen war, und mit der noch unangenehmeren Überzeu gung, dass es nicht angemessen gewesen wäre, ihm den Eintritt zu verwehren.
    Jetzt stand er in seiner unauffälligen Kleidung vor der Haustür und wartete.
    GebreSelassie.
    Er würde sehen, was sich machen ließe. Er wusste nichts über ihre Gewohnheiten, aber wenn sie zum Beispiel die Tür öffnete, um hinauszugehen, könnte er die Gelegenheit nutzen und eintreten.
    Die Menschen sind meistens sehr langsam. Sie öffnen ihre
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