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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst
Autoren: Elizabeth Haynes
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zurückkommen und mir mitteilen, dass ich mein Haus verlassen und ins Altersheim gehen müsse. Ich wäre lieber gestorben, als in ein Heim zu gehen. Da überlegte ich mir, allem ein Ende zu setzen und so zu verhindern, dass man mich eines Tages wegbringen würde. Aber dafür braucht man Mut, und den hatte ich nicht mehr.
    Ich kaufte zweimal pro Woche beim Co-op am Ende der Straße ein und ging zum Arzt, um meine Rezepte zu holen, doch abgesehen davon verließ ich das Haus nicht mehr. Ich hatte mir immer wieder verschiedene Möglichkeiten überlegt, mir das Leben zu nehmen, fand es aber irgendwie nicht richtig, einfach so aufzugeben. Außerdem hatte ich Angst, es zu vermasseln, es nicht richtig zu machen. Obwohl ich in meinem Leben alle Entscheidungen stets selbst gefällt hatte, entschieden nun zunehmend andere Menschen für mich. Das war es, wogegen ich mich wehrte. Ich war eine erwachsene Frau, eine alte Frau, und solange ich noch alle Tassen im Schrank hatte, wollte ich in der Lage sein, dieses Leben aus freien Stücken zu beenden, das so anstrengend und leer geworden war. Aber das gehörte sich natürlich nicht, oder? Wenn ich mein Leben beenden wollte, dann musste ich wohl krank oder depressiv oder sonst was sein und brauchte Hilfe, um die Welt wieder mit anderen Augen zu sehen und das Leben genießen zu können. So sieht es jedenfalls die Jugend von ihrem völlig unwissenden Standpunkt aus.
    Ich wünschte mir jemanden, der mir helfen würde. Ich wünschte mir jemanden, dem ich vertrauen konnte und der dafür sorgte, dass alles richtiglief und ich nicht halb tot daliegen würde – und der dafür sorgte, dass ich meine Meinung nicht mehr änderte.

 
    Annabel
    Es gibt nichts Elenderes, als einen Montag im Dunkeln und mit kalten, nassen Füßen zu beginnen.
    Als ich bei der Arbeit ankam, waren mein Rock und meine Wildlederschuhe völlig durchnässt. An solchen Tagen war die Park&Ride-Lösung kein Spaß. Ich kam früh zum Parkplatz, noch bevor es richtig hell war, saß im beschlagenen Wagen und wartete auf den Bus, mit dem ich dann schlaftrunken in die Stadt schaukelte. Ich wusste immer noch nicht, welche Bushaltestelle dem Polizeirevier am nächsten lag. Heute entschied ich mich für die Haltestelle am Kriegerdenkmal, hatte aber den verstopften Kanal in der Unity Street vergessen. An ihm führte kein Weg vorbei, außer man überquerte die Straße, doch auch das war nicht leicht. Also wartete ich auf eine Lücke im Verkehr und überquerte dann das Stück Asphalt neben der riesigen Pfütze, als wieder ein Wagen durchfuhr und mich nass spritzte.
    Ich war eben nie schnell genug. Ich bin einfach nicht zum Rennen geboren.
    Ich ging durch das Tor auf der Rückseite und ließ es mit einem heftigen Knall hinter mir zuschwingen. Inzwischen hatte es natürlich aufgehört zu regnen – typisch. Meine Magnetkarte piepste, als ich sie durch fünf verschiedene Sicherheitsschleusen zog: das Eingangstor, die Tür zum Parkplatz, die Hintertür zum Polizeirevier, die Tür zur Intel-Einheit, der »Intelligence Unit«, die für Informationsanalyse und Verbrechensprävention zuständig ist, und schließlich die Tür zur Abteilung für öffentliche Sicherheit. Ich hängte meinen durchnässten Mantel und den langen Schal auf, legte eine Hand auf die Heizung – die natürlich kalt war, schließlich war Montag –, füllte den Kessel mit Wasser aus einer Zwei-Liter-Flasche, die wir in der eine halbe Meile entfernten Küche auffüllen mussten.
    Und natürlich war der Kühlschrank geplündert. Am Freitag war immerhin noch ein halber Liter Milch übrig gewesen, jetzt hingegen war die Plastikflasche leer, stand aber hübsch und ordentlich wieder in ihrem Fach, als würde das die Sache entschuldigen. Mein halb verzehrtes Thunfischsandwich von Freitag war allerdings noch da. Sein Geruch brachte plötzlich wieder die Erinnerungen an das Haus zurück, in dem ich Freitagabend gewesen war, und an alles, was danach passierte.
    Ich hielt den Atem an, holte das Sandwich heraus, ging damit durch den Flur und ins Büro der Streife und warf es dort in den Mülleimer. Wahrscheinlich hatten sie die Milch geklaut. Dann konnten sie auch das Sandwich haben.
    Ich brühte mir einen schwarzen Tee auf und loggte mich auf meinem Computer ein. Alles ging sehr langsam vor sich. Der Lautsprecher dröhnte im Flur; in ein paar Stunden würde ich ihn nicht mehr hören und mich auf andere Dinge konzentrieren können, doch noch gellte er mir hartnäckig in den
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