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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst
Autoren: Elizabeth Haynes
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Gedanke kam, dass ich das vielleicht besser nicht tun sollte. Vielleicht handelte es sich um Beweismaterial.
    Nur – für welches Verbrechen?
    Ich wusch meine Hände mit stark parfümierter Desinfektionsseife, doch selbst danach stanken sie noch immer bestialisch. Daraufhin riss ich Papier von einer Küchenrolle, befeuchtete es, träufelte ein wenig Küchenreiniger drauf und rieb meine Beine ab, falls von der ekligen Leichenflüssigkeit irgendwas durch meine Strumpfhose auf die Haut gelangt war.
    Und die ganze Zeit kämpfte ich gegen den Brechreiz an. Jedes Mal, wenn mir der Geruch in die Nase stieg, musste ich husten und würgen.
    Als ich mich endlich einigermaßen sauber fühlte, rief ich die Polizei.
    »Kent Police, was kann ich für Sie tun?«
    »Ich habe im Haus nebenan soeben eine Leiche entdeckt. Sie ist bereits ziemlich verwest.«
    »Gut«, sagte die weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung. Ich hörte, wie sie auf ihre Tastatur tippte: Code 240B für »mutmaßlicher Leichenfund« eingab. »Wie heißen Sie?«
    »Annabel Hayer.«
    Ich beantwortete alle Fragen – Adresse, Telefonnummer und Details zu dem, was ich gesehen (das Licht) und gehört (nichts) und gerochen (Fäulnis) und vorgefunden hatte (eine Leiche in einem Sessel) –, bis ich irgendwann beinahe selbst davon überzeugt war, dass ich mir das alles nur eingebildet hatte.
    »Heute Abend ist viel los«, sagte die Frau am Telefon. »Sobald eine Streife frei ist, schicke ich sie raus.«
    Ich ging nach oben, duschte mich, wusch mir die Haare und zog mir saubere Sachen an, stank aber immer noch, wenn auch etwas weniger. Ich spähte aus dem Fenster, doch noch war kein Streifenwagen zu sehen.
    Die Katze maunzte und wollte ins Haus. Ich öffnete ihr, schloss die Küchentür und ließ ihr ein improvisiertes Bad in der Spüle ein. Ich hatte schon zuvor Katzen gebadet, und wie jedes Mal war es wieder eine traumatische Erfahrung. Sie zerkratzte mir die Arme, als ich versuchte, ihren Rücken und den Bauch mit einem Schwamm und meiner besten pH-neutralen Bioseife und warmem Wasser zu waschen. Immerhin konnte ich den gröbsten Dreck entfernen. Sie leckte sich, ihr Fell stand überall ab. Allein der Gedanke an den Gestank verursachte mir Brechreiz, selbst nachdem ich sie eingeseift, abgespült und mit einem Geschirrtuch abgetrocknet hatte. Sobald sie sich aus dem Geschirrtuch gewunden hatte, fegte sie panisch durch die Küche und warf allerlei Sachen um. Da ich um mein Geschirr besorgt war, öffnete ich die Hintertür, und sie schoss nach draußen.
    Um zehn Uhr kam endlich die Streife. Sie gingen nach nebenan, riefen Verstärkung und sagten mir, dass ich ins Bett gehen könne.
    Im kühlen Licht des Samstagmorgens sah dann alles schon wieder ganz anders aus. Die Katze saß auf den Stufen an der Hintertür und war total beleidigt. Sie kam sofort herein, als ich die Tür öffnete, drehte mir aber gleich den Rücken zu, setzte sich in die Küchenecke und rührte sich erst wieder, als ich ihr Schälchen mit Katzentrockenfutter füllte. Das Fell auf Rücken und Bauch stand immer noch in klebrigen Borsten ab, doch immerhin stank sie nicht mehr.
    Ich hatte den Beamten der Abteilung für Schwerverbrechen, der mich schließlich befragte, noch nie gesprochen. Obwohl er mir seinen Ausweis zeigte, als ich ihn hereinließ, vergaß ich sofort wieder seinen Namen. Er sagte mir, dass er seit einem Jahr bei der Polizei in Briarstone sei, woraufhin ich mich erinnerte, ihn in der Kantine gesehen zu haben.
    »Wie geht es Ihnen?«, fragte er, als er in mein Wohnzimmer kam. »Muss ein ziemlicher Schock gewesen sein.«
    Es war bereits Nachmittag, und ich hatte noch nichts gegessen. Wenn ich nur daran dachte, kamen mir sofort die aufgedunsene Leiche, ihre Hautfarbe und die Lache unter dem Stuhl in den Sinn.
    »Mehr oder weniger«, sagte ich. »Aber so, wie es dort stank, hatte ich mir schon etwas Ähnliches gedacht.«
    »Ja, ist kein schöner Anblick.«
    »Möchten Sie einen Tee? Oder Kaffee?«
    »Kaffee wäre großartig, danke. Zwei Stück Zucker. Darf ich kurz Ihre Toilette benutzen?«
    Ich zeigte ihm, wo die Toilette war, ging dann in die Küche, setzte den Kessel auf und wartete, bis das Wasser kochte. Auf dem Küchensims stand eine kleine Engelsstatue, die ich in einem New-Age-Laden in Bath gekauft hatte. Die Sonne fiel darauf und brachte sie zum Glänzen, als sei sie von einem Heiligenschein umgeben.
    Ich brachte die Tassen ins Wohnzimmer. Er saß bereits, hatte einen Notizblock
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