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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst
Autoren: Elizabeth Haynes
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öffnete nicht.
    Obwohl ich mich dreimal geduscht und meine Kleidung gewaschen hatte, stieg mir hin und wieder der Gestank in die Nase. Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Die Katze war sauer und hatte sich mit dem Rücken zu mir und dem Zimmer auf dem Sofa zusammengerollt. Es würde vermutlich etwas dauern, bevor sie mich wieder ansah.
    Es war schon fast zehn Uhr, und ich hatte kaum etwas Sinnvolles gearbeitet. Ich konnte mich einfach nicht dazu aufraffen, den taktischen Lagebericht in Angriff zu nehmen, also öffnete ich das Betriebsleitsystem und suchte nach meinem Namen und meiner Adresse. Streng genommen verstieß das gegen die Vorschriften, aber falls mich tatsächlich irgendwer zur Rede gestellt hätte, hätte ich vermutlich entgegengesetzt, dass ich ein begründetes Interesse daran hatte, der Sache auf den Grund zu gehen.
    ANRUFERIN GIBT AN, DASS IM NACHBARHAUS EINE LEICHE IST
    *
    DAS HAUS IST UNBEWOHNT
    *
    ANRUFERIN ERKLÄRT, KATZE SEI REINGEKOMMEN, HABE GESTUNKEN UND EINE SUBSTANZ AUF DEM FELL GEHABT
    *
    KORREKTUR: ES HANDELT SICH UM DIE KATZE DER ANRUFERIN, NICHT DIE DES NACHBARN
    *
    STREIFEN: AT55 NICHT VERFÜGBAR, AZ31 NICHT VERFÜGBAR, AL22 IN HAFTANSTALT
    *
    ANRUFERIN WIRD INFORMIERT, DASS STREIFE KOMMT, SOBALD VERFÜGBAR
    *
    ANRUFERIN GIBT AN, SIE WARTE AUF STREIFE
    *
    TOTE ANWOHNERIN LT. MELDEVERZEICHNIS SHELLEY LOUISE BURTON
    *
    BITTE UM ANRUF, FALLS WEITERE VORKOMMNISSE
    *
    20:32 STREIFE AL22 BEI ANWESEN
    *
    NIEMAND ÖFFNET
    *
    ANFORDERUNG EINHEIT FÜR SCHWERVERBRECHEN – DIENSTHABENDER DET INSP PRESTON
    *
    KEIN OBJEKTVERANTWORTLICHER FÜR DIESES GRUNDSTÜCK IN DEN AKTEN
    *
    VORFALL ZUR AUFNAHME IN BERICHT AN INTEL WEITERLEITEN
    Es ging noch mehrere Seiten so weiter. Laut Protokoll wurden noch weitere Teams angefordert. Man hatte auch brav die Bemühungen dokumentiert, einen Angehörigen von Shelley Burton ausfindig zu machen: Am Ende stieß man auf eine ältere Tante in Norfolk. Doch nirgends war etwas über ihren Partner Graham zu finden – falls ich mich überhaupt richtig an seinen Namen erinnerte.
    »Hast du den Bericht gesehen?«, fragte ich. »Es wurde schon wieder eine gefunden.«
    »Eine was gefunden?«, fragte Kate und spähte über den Rand ihres Computers zu mir herüber.
    »Eine verweste Leiche. Sie war erst dreiundvierzig Jahre alt.«
    Kate schnalzte mit der Zunge. Solange de facto kein Verbrechen vorlag, ignorierte sie solche Berichte. Leichen, die man in ihrer häuslichen Umgebung und nicht unter offensichtlich verdächtigen Umständen gefunden hatte, gingen sie nichts an. Ich hätte der Sache vermutlich auch keine weitere Beachtung geschenkt, wenn nicht ich diejenige gewesen wäre, die die letzte Leiche gefunden hatte. Doch da gab es noch etwas, das mir nicht aus dem Kopf ging – der Typ aus der Abteilung für Schwerverbrechen hatte wissen wollen, ob ich das Licht ausgeschaltet hatte. Offensichtlich hatte es nicht mehr gebrannt, als sie das Haus betreten hatten. Doch das allein war es nicht, worüber ich mir Gedanken machte – vielleicht hatte ich es am Ende ja gedankenlos selbst ausgemacht, als ich gegangen war, oder die erste Streife vor Ort hatte es gelöscht; vielleicht war die Glühbirne auch von alleine kaputt gegangen. Worüber ich mir hingegen immer wieder den Kopf zerbrach war, dass ich das Gefühl gehabt hatte, es wäre noch jemand im Haus. Ich hatte etwas gespürt – eine Präsenz –, dieses Gefühl aber mit der Leiche im Lehnstuhl und den Geräuschen erklärt, die meine Katze verursacht hatte. Aber was, wenn die ganze Zeit tatsächlich jemand dort gewesen war?
    »Ich finde es einfach nur eine Schande«, sagte ich. »Wenn man so lange daliegt, ohne dass es irgendwem auffällt.«
    »Hmm«, sagte Kate, hörte mir aber nicht wirklich zu.
    »Ich frage mich, wie viele es dieses Jahr schon waren?«
    Keine Antwort. Ich hatte auch nicht wirklich eine erwartet. Kate tat, als sei sie in ihren Bericht vertieft, den wir alle vierzehn Tage verfassen und am Mittwoch unseren Vorgesetzten vorlegen mussten, obwohl sie in Wahrheit gerade ihren Facebook-Status auf ihrem Telefon aktualisierte.
    Zum Teufel – ich hatte gerade nichts zu tun. Also startete ich eine Suche nach allen Notrufen und Vorfällen seit Beginn des Jahres, bei denen eine Leiche gefunden wurde. Ich fügte Wildcard-Suchfunktionen wie ›verwest‹ oder ›Verwesung‹ hinzu. Da gab es bestimmt nicht so viele, dachte ich.
    Doch da hatte ich mich geirrt.
    »Vierundzwanzig«, verkündete ich.
    »Vierundzwanzig
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