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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst
Autoren: Elizabeth Haynes
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sie. Drinnen lagen Bettbezüge, Handtücher, Vorhänge, Bettlaken, alles ordentlich zusammengelegt, alles verstaubt. Ich suchte nach etwas Stabilem, etwas, womit ich die Tür aushebeln oder das ich als Waffe benutzen konnte, falls es nötig war. Im zweiten Schrank stand oben auf einem Regal ein brauner Koffer mit Lederriemen. Ich überlegte, ihn runterzuheben, doch das hätte Geräusche verursachen können. Ich wartete wohl besser ab, bis ich mir sicher sein konnte, dass er weg war.
    Die Holzdielen unter dem dicken Teppich knackten leise, als ich durch das Zimmer ging, und einen Moment hielt ich den Atem an und hoffte, dass er es nicht hören würde, wo immer er sich befand. Nichts. Ich ging weiter zum Fenster und schob einen Vorhang ein wenig beiseite, sodass ich hinausschauen konnte. Das Zimmer lag im hinteren Teil des Hauses. So viel hatte ich bereits begriffen. Ich konnte also nicht sehen, ob der Fiesta schon weggefahren war, aber ich konnte ein Fenster öffnen und ihn vielleicht hören.
    Es war schwierig; die Fensterriegel waren seit Jahren nicht mehr bewegt worden. Ich sah einen Garten, einen langen Grasabhang, der hinunter zu einer hohen Ziegelmauer führte, in deren Mitte sich ein bogenförmiges Tor befand. Die Bäume, die den Garten säumten, waren riesig und bewegten sich lautlos im Wind.
    Irgendwo im Haus hörte ich einen Knall. Ich blieb wie angewurzelt stehen – vielleicht kam er ja zurück –, doch es folgte nur Stille. War das die Eingangstür? War er gegangen?
    Ich ging zur Tür und drückte sanft die Klinke herunter. Sie ließ sich nicht öffnen. Ich beugte mich herab und spähte durch das Schlüsselloch, durch das ich ein Stück Tapete auf der anderen Seite des Flurs erkennen konnte. Er hatte den Schlüssel mitgenommen.
    Ich ging zum Bett zurück und überprüfte mein Handy. Die Nachricht war immer noch nicht verschickt worden. Ich versuchte Sams Nummer zu wählen, bekam aber nur ein Zeichen, dass die Leitung unterbrochen war. Ich ging mit dem Handy zum Fenster, um zu sehen, ob das Netz dort besser wäre, war es aber nicht. Konnten sie das Handy orten, selbst wenn ich kein Netz hatte? Ich versuchte es an verschiedenen Stellen im Zimmer, drückte erneut die Klinke und rüttelte an der Tür. Sie gab ein wenig nach, nur ein klein wenig, doch das Schloss hielt stand.
    Wieder hörte ich ein Geräusch.
    Ich blieb wie angewurzelt stehen, presste mein Ohr an die Tür und lauschte. Stille. Dann hörte ich von weit entfernt ein kurzes, schrilles Geräusch. Es klang wie ein Weinen.
    Ich klopfte fest an die Tür. »Hallo?«, schrie ich. »Hallo? Ist da wer?«
    Ich lauschte auf die Stille, dann auf weitere Stille, dann hörte ich plötzlich schnelle, raschelnde Schritte auf dem Flur. Ein Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt, ich sprang rückwärts, stolperte zum Bett und keuchte. Ich hatte gerade noch die Zeit, mein Handy in den BH zu stecken.
    Die Tür ging auf, er stand da und sah mich an. Ich bemerkte, dass auch er außer Atem war, als wäre er die Treppe hinaufgelaufen.
    »Was machst du da?«, fragte er. Seine Stimme klang gemäßigt und ruhig, obwohl er ganz offensichtlich verärgert war.
    »Ich will nicht eingeschlossen sein«, sagte ich. »Warum hast du mich eingesperrt?«
    Er verzog das Gesicht. »Ich möchte, dass du in Sicherheit bist. Du musst doch in Sicherheit sein.« Er trat ein und kam auf mich zu, und in dem Augenblick fragte ich mich, ob ich genügend Kraft hätte, um ihn zu überwältigen. Er war größer als ich, aber ich war vermutlich schwerer als er. Wenn ich mich auf ihn warf, konnte ich ihn vermutlich zu Boden reißen – aber was dann? »Ich habe Angst, wenn man mich einsperrt«, sagte ich. »Ich kann nicht schlafen, wenn man mich einsperrt.«
    Vielleicht kam ich damit durch, dachte ich. Vielleicht gab es einen Instinkt, der seinen Einfluss zunichtemachte – irgendeine Urangst, die hartnäckiger war als das Bedürfnis, sich in nichts aufzulösen. Mir war klar, dass er mir nicht völlig vertraute. Er war nicht restlos davon überzeugt, dass ich mich wirklich einfach nur hinlegen und sterben wollte – warum hätte er mich sonst einsperren sollen?
    »Du bist in Sicherheit. Du bist in Sicherheit, wenn die Tür verschlossen ist«, sagte er.
    Er stand so nah, dass er mich berühren konnte. Ich hatte meinen Blick auf seine Brust geheftet, weil ich nicht zu ihm aufsehen wollte. Dann berührte er mich am Oberarm – seine Berührung hatte etwas Beruhigendes und Tröstliches –, und mein
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