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Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11

Titel: Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11
Autoren: Jonathan Kellerman
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Ich glaube, der springende Punkt dabei ist das, was wir als Kinder gelernt haben.
    NEESE: Zeig mir deinen Punkt, dann zeig ich dir meinen. MAYHEW: (Lächelnd) Bitte, Karl. Was und wie lernen wir als Kinder, Doktor Devane?
    DEVANE: Wir lernen von den Rollen, die uns die Erwachsenen vorleben.Von dem Verhalten, das wir nachahmen sollen -
     
    In diesem Stil ging es weiter. Jedes Mal, wenn er das Publikum zum Johlen gebracht hatte, wartete sie ab, bis sich alle wieder beruhigt hatten, und gab dann knappe, präzise Antworten, ohne sich dabei auf sein Niveau herabzulassen. Am Schluss hörten die Leute ihr zu, und Neese wirkte verunsichert.
    Ich spulte noch einmal zurück und konzentrierte mich diesmal ganz auf Hope und darauf, was sie so erfolgreich machte. Sie suchte furchtlos Blickkontakt und stellte damit Intimität her, außerdem trat sie so selbstsicher auf, dass selbst banale Äußerungen von ihr tiefsinnig wirkten.
    Ausstrahlung. Sie strahlte ruhige Gelassenheit aus.

    Sie war brillant, und unwillkürlich fragte ich mich, was sie wohl noch alles erreicht hätte, wenn sie am Leben geblieben wäre.
    Am Ende der Sendung fing die Kamera Neeses Gesicht in Großaufnahme ein. Kein überhebliches Grinsen mehr.
    Ernst.Wütend?
    Konnte es nicht sein, dass sich Neeses Wut im Nachhinein noch gesteigert hatte?
    Wieso eigentlich nicht, der Fall war verfahren, und Milo hatte gesagt, ich solle meiner Fantasie »freien Lauf« lassen. Ich schrieb mir Neeses Namen auf und nahm die Polizeiakte wieder zur Hand.
    Wörter, Bilder. Immer diese Bilder …
    Kurz vor fünf rief ich Milo im Department an und teilte ihm mit, ich sei mit allem durch, auch mit dem Buch. »Das ging aber schnell.«
    »Leicht zu lesen. Unterhaltsam. Als ob sie bei dir im Wohnzimmer sitzt und plaudert.«
    »Was hältst du vom Inhalt?«
    »Sie schreibt da eine Menge, wogegen nichts zu sagen ist - sich für die eigenen Rechte einsetzen, selbstständig handeln, sich realistische Ziele setzen, damit man Erfolg hat und Selbstvertrauen entwickeln kann. Aber wenn sie radikalere Thesen vertritt, legt sie keinerlei Fakten vor, um sie zu untermauern. Der ganze Teil über Testosteron und sadistische Abnormität ist ziemlich weit hergeholt.«
    »Alle Männer sind Sexualmörder.«
    »Alle Männer sind potenzielle Sexualmörder, und selbst Sex im gegenseitigen Einvernehmen ist eine Teilvergewaltigung, weil der Penis als Waffe konstruiert ist und Penetration auf Seiten der Frauen gleichbedeutend ist mit Verletzung und Kontrollverlust.«
    »Kontrolle spielt bei ihr eine wichtige Rolle, was?«

    »Das ist ihr Hauptthema. Ich war in der Bibliothek und habe die von ihr zitierten Untersuchungen überprüft. Sie hat Aussagen aus dem Kontext genommen und verfälschend zusammengefasst. Aber um das festzustellen, muss man ihre Quellen schon genau überprüfen. Und abgesehen von ihren schriftstellerischen Fähigkeiten, sehe ich noch einen Grund, warum sich ihr Buch so gut verkauft hat: Da Frauen tatsächlich fast immer die Opfer sind, hatte sie einen naturbedingten Kundenkreis.«
    »Was ist mit den Fernsehauftritten?«
    »Auch darin war sie gut. Unerschütterlich. Selbst als sie bei Mayhew gegen diesen Schwachkopf antreten musste, hat sie keinen Augenblick die Nerven verloren. Erinnerst du dich an den?«
    »So ein dünner Idiot in Schwarz? Der ist richtig auf sie losgegangen, nicht?«
    »Aber sie hatte ihn fantastisch im Griff. Er hat keinen einzigen Treffer landen können. Für mich war sie die klare Siegerin, und er wirkte ganz schön wütend. Was wäre, wenn er ihr das nicht vergessen hat?«
    »Hmmm«, sagte Milo. »Okay, ich nehme ihn mal unter die Lupe - wie hieß er noch?«
    »Karl Neese.«
    Er wiederholte den Namen. »Okay, sonst noch irgendwelche Ideen?«
    »Bis jetzt nicht.Wie sieht’s bei dir aus?«
    »Nichts. Ich habe das Gefühl, der Göttergatte verschweigt etwas, und deine Kumpels an der Uni sind nicht gerade eine Hilfe - sie behandeln mich wie einen Volltrottel. Reeeden gaaanz laaangsam.«
    »Standesdünkel? Du hättest dein Studium erwähnen sollen.«
    »O ja, das hätte dieser Doktorenbande mächtig imponiert.
Also, was hältst du von den Verletzungen? Lässt der Messerstich im Genitalbereich auf ein Sexualverbrechen schließen?«
    »Falls er Absicht war, ist er ein eindeutiges Zeichen für sexuelle Aggression.«
    »Und ob der Absicht war. Drei saubere Stiche, keine sonstigen Verletzungen, kein wildes Rumgehacke. Er hat sie genau da getroffen, wo er wollte: Herz,Vagina,
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