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Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11

Titel: Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11
Autoren: Jonathan Kellerman
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studiert, angefangen mit den ersten Notizen von Paz und Fellows bis hin zum Bericht des Pathologen und dem Stapel Fotos von der Leiche.
    »Kein Schrei«, sagte ich, »vielleicht wegen der Herzwunde?«
    »Der Gerichtsmediziner meint, sie könnte sofort unter Schock gestanden haben.«
    Mir gingen die Fotos durch den Kopf, Hope Devanes Leiche, weiß wie Eis unter den Lampen in der Gerichtsmedizin. Drei tiefe purpurfarbene Stichwunden in Großaufnahme: in der Brust, im Schambereich und knapp über der linken Niere.
    Man nahm an, der Mörder hatte sie überrascht und blitzschnell durch einen Stich getötet, der ihr förmlich das Herz zerfetzte; dann hatte er ein zweites Mal oberhalb der Vagina zugestoßen und ihr schließlich, als sie schon mit dem Gesicht nach unten auf dem Bürgersteig lag, in den Rücken gestochen.
    »Ein Ehemann soll so etwas machen?«, sagte ich. »Es kommt mir so geplant vor.«
    »Dieser Ehemann ist schließlich ein Intellektueller, nicht? Ein Denker.« Eine dünne Rauchfahne zog aus dem Wagen und verflog augenblicklich in der Nachtluft. »Ich wünsche mir förmlich, dass er es war. Andernfalls ist das Ganze nämlich ein logistischer Albtraum.«
    »Zu vieleVerdächtige.«
    »Und ob«, sagte er, fast singend. »Es gibt zig Leute, die sie gehasst haben könnten.«

2
    Ein Psycho-Bestseller veränderte Hope Devanes Leben.
    »Wölfe und Schafe« war nicht ihre erste Veröffentlichung: Ein psychologisches Sachbuch und drei Dutzend Aufsätze hatten ihr mit achtunddreißig Jahren, zwei Jahre vor ihrem Tod, eine Professorenstelle eingebracht.
    »Wölfe« stand einen Monat lang auf den Bestsellerlisten, brachte ihr das Interesse der Medien ein und mehr Geld, als sie in zehn Jahren als Professorin verdient hätte.
    Mit ihrer gepflegten Attraktivität und kultivierten Erscheinung kam sie im Fernsehen gut an. Außerdem klang ihre sanfte, melodische Stimme im Radio angenehm, so dass sich die Medien um sie rissen. Und jeder ihrer Auftritte war ein Erfolg. Denn trotz des anklagenden Untertitels von »Wölfe«: »Warum Männer Frauen verletzen und was Frauen dagegen tun können« wirkte sie wie eine intelligente, wortgewandte, kluge, sympathische Frau, die sich der Öffentlichkeit zwar ungern, aber voller Anmut stellte.
    Das alles wusste ich, aber ich hatte keinerlei Vorstellung davon, was für ein Mensch sie wirklich gewesen war.
    Milo hatte mir drei Kisten mit Unterlagen und Beweismaterial zur Verfügung gestellt: ihren Lebenslauf, Kassetten mit Ton- und Videoaufnahmen, einige Zeitungsartikel, das Buch. Das alles war von Paz und Fellows zusammengetragen, aber niemals gesichtet worden.
    Gestern Abend, als Milo mit Ruth und mir in einem Fischrestaurant in Santa Monica zum Essen war, hatte er mir erzählt, man habe ihm den Fall übertragen. Als Ruth irgendwann zur Toilette ging, sagte Milo: »Rat mal, was ich zu Weihnachten bekommen habe?«
    »Weihnachten ist doch erst in ein paar Monaten.«

    »Vielleicht ist es deshalb ja auch kein Geschenk. Ein alter Fall. Drei Monate alt: Hope Devane.«
    »Und wieso jetzt?«
    »Weil die Sache im Eimer ist.«
    »Der neue Lieutenant?«
    Er tunkte eine Garnele in die Cocktailsoße und steckte sie in den Mund. Beim Kauen traten seine Kiefermuskeln hervor. Er blickte sich ständig um, obwohl es nichts zu sehen gab.
    Neuer Lieutenant, altes Muster.
    Milo war der einzige nachweislich schwule Detective bei der Polizei von Los Angeles und würde nie richtig anerkannt werden. Sein Aufstieg zum Detective hatte zwanzig Jahre gedauert und war von Demütigungen, Schikanen, von Phasen freundlicher Missachtung und Gewaltandrohung begleitet worden. Seine Aufklärungsrate war hervorragend, was die Feindseligkeiten mitunter etwas dämmte. Seine Lebensqualität hing von der Einstellung seines jeweiligen Vorgesetzten ab. Der neue war konfus und nervös, aber zu sehr von einem Department in Anspruch genommen, das nach den Rassenunruhen verunsichert war, um sich allzu sehr um Milo kümmern zu können.
    »Er hat dir die Sache in die Hand gegeben, weil er sie ohnehin für hoffnungslos hält?«
    Er lächelte, als ob er einen guten Witz gehört hätte.
    »Außerdem«, sagte er, »meint er, Devane könnte vielleicht lesbisch gewesen sein. Das müsste doch für Sie … ähem … genau das Richtige sein, Sturgis.«
    Eine weitere Garnele verschwand. Sein fleischiges Gesicht blieb unbewegt, während er seine Serviette zusammenund wieder auseinanderfaltete. Seine Krawatte mit dem entsetzlichen braun-gelben
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