Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11

Titel: Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
mit ihm reden will.«
    »Darf er denn ein bisschen mit dir reden?«
    »Worüber?«
    Emerson sah mich an.
    »Darüber, was Reed Muscadine Ihnen angetan hat«, sagte ich. »Ich weiß, dass es wahr ist. Muscadine ist Abschaum, und er sitzt im Gefängnis.«
    Ihr Mund klappte auf. »Warum?«
    »Es fällt mir schwer, Ihnen das zu sagen, Tessa, aber früher oder später werden Sie es ohnehin erfahren. Er wird des Mordes an Professor Devane verdächtigt.«
    Plötzlich blickten ihre Augen wild. »Oh!« Es klang fast wie der Schrei eines Tieres. »Oh, oh, oh!«
    Sie sprang auf, raufte sich die Haare und tigerte in dem kleinen Zimmer hin und her.
    Sie blieb stehen, sagte: »O Gott... Gott, Gott, Robbie!«
    »Was ist mit Robbie?«, fragte Emerson.
    »Wo ist er?«
    »Zu Hause bei deiner Mom,Tess.«
    »Wirklich?«
    »Wo sollte er denn sonst sein?«
    Sie streckte die Hände aus, die Finger gebogen, zitternd.
    »Das Telefon!«, rief sie.

    »Soll ich bei dir zu Hause anrufen?«, fragte Emerson. »Damit deine Mom dir sagen kann, dass es Robbie gut geht?«
    » Ich will anrufen. Ich will mit ihm sprechen!«
    »Es ist fast elf,Tess. Robbie schläft bestimmt schon -«
    »Ich muss einfach. Ich muß - bitte, Dr. Emerson. Lassen Sie mich anrufen, bitte, bitte, bitte!« Sie schluchzte. »Oh, bitte lassen Sie mich mit meinem kleinen Robbie sprechen -«
    »Okay,Tessa.« Emerson wollte den Arm um sie legen, aber sie wich zurück. Seine blauen Augen drückten Verwirrung aus, als er die Tür aufschloss und sie hinausließ.
    Im Schwesternzimmer ließ er sich eine Amtsleitung geben, und wir beide sahen zu, wie sie wählte.
    »Mom? Wo ist Robbie? Bist du sicher? Geh nachsehen … bitte, Mom. Bitte, Mom … tu’s einfach!«
    Während sie wartete, riss sie an ihren Haaren, blinzelte, rollte die Schulter, kniff sich in die Wange, scharrte unruhig mit den Füßen.
    Emerson beobachtete sie mit einer Mischung aus Mitleid und Faszination.
    »Bist du sicher - hast du nachgesehen, ob er atmet? Was? Es ist mein Ernst - aus dem Schwesternzimmer. Er hat mich gelassen, steht neben mir - ja … nein, ich bin nicht müde … hab’ gelesen.Was? Bald, bald … ja … und du bist wirklich sicher, dass es ihm gut geht, Mom? Ich weiß - ich weiß, du würdest das nicht... tut mir leid, Mom. Entschuldige die Störung - was? Okay, ja, danke.Tut mir leid. Pass nur gut auf ihn auf. Richtig gut … Ich dich auch.«
    Sie legte auf. Seufzte. Schlug die Hände vors Gesicht. Blickte auf.
    »Ich gehe jetzt zurück.«
    Wieder in ihrem Zimmer, sagte ich: »Muscadine hat Sie mit Robbie unter Druck gesetzt. Er hat gedroht, ihn umzubringen, wenn Sie Ihre Anschuldigung nicht zurücknehmen.«

    Sie sah mich an, und in ihrem Blick schien eine neu erwachte Achtung zu liegen.
    Nickte.
    Die nahe liegende Frage: »Warum sind Sie nicht zur Polizei gegangen?«, stellte ich nicht.
    Weil ich die Antwort kannte. Sie war schon einmal zur Polizei gegangen und als Lügnerin abgestempelt worden.
    Sein Wort gegen ihres.
    »Jetzt kann er Robbie nichts mehr tun«, sagte ich. »Er kann niemandem mehr etwas tun.« Ich wünschte, ich wäre mir da sicher. Fast hoffte ich, Muscadine würde rauskommen, damit Big Micky seine eigene Form von Justiz auf ihn anwenden könnte... Himmel, ich erschrak über mich selbst.
    Sie sank in sich zusammen und fing wieder an zu schluchzen.
    Emerson ließ sie eine Weile gewähren, reichte ihr ein Taschentuch, trat zurück.
    Ihr Schmerz spiegelte sich in seinen Augen wider, aber er konnte ihn ertragen.
    Schließlich wurde sie ruhiger und sagte: »Er hat sie wegen mir umgebracht.«
    »Hundertprozentig nicht«, sagte ich. »Mit Ihnen hatte das gar nichts zu tun. Es ging um eine Sache zwischen ihm und Professor Devane.«
    »Ich wünschte, ich könnte Ihnen glauben.«
    »Das werden Sie, wenn die Tatsachen bekannt werden.«
    »Robbie«, sagte sie.
    »Sie haben Robbie beschützt«, sagte ich. »Auf Ihre Kosten.«
    Sie antwortete nicht.
    »Wusste Professor Devane von der Drohung?«
    Kopfschütteln. »Ich konnte nicht... wollte nicht - sie hat
mich verstanden, aber ich wollte nicht, dass sie … wollte niemanden in mein Chaos mit reinziehen.«
    »Aber Sie haben ihr erzählt, dass er Sie gefesselt hat.«
    Langes Schweigen. Langes, langsames Nicken.
    Und dann erschreckte sie mich mit einem jähen, strahlenden Lächeln. Auch Emerson war überrascht. Er fing an, Barthaare zu zwirbeln.
    »Was ist,Tessa?«, fragte er.
    »Also bin ich ein Opfer«, sagte sie. »Endlich.«

40
    Ronald Oster
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher