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Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11

Titel: Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11
Autoren: Jonathan Kellerman
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war eigentlich noch zu jung, um schon so zynisch zu sein.
    Er war zirka achtundzwanzig, hatte knallrotes Haar, zahllose Sommersprossen und einen Bauchansatz, und er trug einen seriösen blauen Anzug, der ihm eine Nummer zu klein war.
    Ich traf ihn vor dem Bezirksgefängnis, in der Nähe der langen Schlange von Frauen, die jeden Morgen darauf warten, Gefangene besuchen zu können. Einige der Frauen sahen zu uns herüber, aber Oster achtete nicht auf sie, während er mich forschend anblickte und weiter seine Zigarette rauchte.
    »Also, warum haben Sie Ihre Meinung geändert?«, wollte er wissen.
    »Meine eigene Anwältin hat gesagt, Sie könnten mich zwingen. Ich finde, wenn ich schon meine Zeit vergeuden muss, sollte ich auch dafür bezahlt werden.«
    Er starrte mich weiter an.
    »Apropos«, sagte ich, »mein Honorar beträgt dreihundertfünfundsiebzig Dollar pro Stunde, An- und Abfahrt werden
mitgerechnet. Ich werde Ihnen meine Rechnung zuschicken und erwarte, dass sie innerhalb von dreißig Tagen bezahlt wird. Zudem erwarte ich ein entsprechendes Auftragsschreiben von Ihnen in den nächsten drei Tagen.«
    Ich reichte ihm meine Visitenkarte.
    »Das Geld ist es also«, sagte er und hakte einen Daumen in die Westentasche.
    »Ich würde es lieber nicht tun, aber wenn ich schon muss, dann mache ich es bestimmt nicht aus Liebe zu Ihrem Mandanten.«
    Er quetschte die Zigarette zwischen den Fingern flach.
    »Damit eines klar ist, Dr. Delaware. Wenn Sie von jetzt an für jemanden an diesem Fall arbeiten, dann für meinen Mandanten. Alles, was er Ihnen sagt, und alles, was ich Ihnen über ihn sage, ist streng vertraulich. Einschließlich dieser Unterhaltung.«
    »Sobald wir uns geeinigt haben.«
    »Oh, das haben wir bereits.Was allerdings Ihre Bezahlung angeht, da bin ich als Pflichtverteidiger bloß wie ein kleiner Beamter. Ich kann die Sache nur weiterleiten.«
    »Tun Sie Ihr Bestes. Und ich habe noch eine Einschränkung: Falls Ihr Mandant mich bedroht, werde ich das sofort melden.«
    Das schockierte ihn, aber er lächelte: »Wieso sollte mein Mandant Sie bedrohen, Doktor?«
    »Er steht unter dem Verdacht, mehrfach gemordet zu haben. Ich sage das nur für den Fall der Fälle, damit wir uns über die Regeln einig sind.«
    »Werden Sie sich mit jedem Anwalt, für den Sie arbeiten, auf diese Weise einig?«
    »Ich arbeite nicht oft für Anwälte.«
    »Wie ich höre, bearbeiten Sie auch Sorgerechtsfälle.«
    »Wenn ich das tue, bin ich für das Gericht tätig.«

    »Ich verstehe … Sie haben also Angst vor Mr. Muscadine. Warum?«
    »Ich habe keine besondere Angst vor ihm, ich bin nur vorsichtig. Angenommen, ich komme nicht zu den Schlüssen, die er sich von mir erhofft. Falls er all diese Menschen ermordet hat, könnte das darauf hindeuten, dass er Enttäuschungen nicht gut verkraftet.«
    »Enttäuschungen?« Er schnippte die Zigarette weg. »Das ist aber ein milder Ausdruck für den Verlust eines lebenswichtigen Organs.«
    Ich sah auf die Uhr.
    Er sagte: »Im Grunde ist der Mann vergewaltigt worden, Dr. Delaware.«
    »Wie ist das passiert?«
    »Das soll er Ihnen lieber selbst erzählen. Falls ich Sie überhaupt mit ihm reden lasse. Aber auch wenn nicht. Sie bekommen Ihren Vertrag und einen Scheck für Ihren heutigen Zeitaufwand.«
    »Was bedeutet, ich gehöre Ihnen bereits und kann nicht mehr für die Polizei arbeiten.«
    Er lächelte.
    »Gut«, sagte ich und sah wieder auf meine Uhr. »Was mich angeht, je weniger ich mit der Sache zu tun habe, desto besser.«
    Wieder hakte er einen Daumen in die Westentasche. Die Schlange der wartenden Frauen schob sich an uns vorbei.
    »Ich hätte gern Ihre sachverständige Meinung, weil es sich hier meiner Ansicht nach ganz klar um einen Fall von extremem Leidensdruck handelt - dem vergleichbar, was geschlagene Frauen durchmachen. Aber angesichts Ihrer Verbindung zur Polizei bin ich nicht sicher, ob Sie tatsächlich ein unvoreingenommenes Gutachten vorlegen werden.«

    »Wenn ich Material bekomme, werde ich es vorlegen. Falls Sie jemand suchen, der als Ihr Bauchredner auftritt, dann sind Sie bei mir an der falschen Adresse.«
    Er betrachtete meine Visitenkarte. »Das hört sich für mich eindeutig so an, als stünden Sie auf der Seite der Anklagevertretung.«
    »Ganz wie Sie meinen.«
    »Ist dem nicht so?«, fragte er.
    »Ich bin nicht käuflich.Wenn Sie eine Hure haben wollen, sollten Sie den Hollywood Boulevard runterfahren und mit einem Zwanzigdollarschein winken.«
    Die Sommersprossen
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