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Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11

Titel: Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11
Autoren: Jonathan Kellerman
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sagte er: »Die Waffe passt, und Staatsanwältin Schwartz würde sich gerne mal mit dir unterhalten.«
    Ich kannte Leah Schwartz schon von einem früheren Fall her. Jung und intelligent, mit lockigem blonden Haar, auffällig großen blauen Augen und einer mitunter recht scharfen Zunge. Als sie sich am Telefon meldete, klang sie, als ginge sie gerade an den Start eines Marathonlaufs.
    »Hallo. Danke für denTipp mit der Pistole. Ich sollte einen Vorschuss für Sie beantragen.«
    »Das Versprechen kostet nichts.«
    Sie lachte. »Und dafür ist die Stadt mir dankbar.Was Ronnie Oster angeht, vielleicht sollten Sie doch mit ihm reden. Besonders jetzt, wo wir die Waffe haben.«
    »Warum?«

    »Weil Muscadine sich bislang geweigert hat, auch nur ein einziges Wort über das Verbrechen zu sagen. Vielleicht können Sie ihn ja zum Plaudern bringen.«
    »Wenn er was ausplaudert, ist es vertraulich.«
    »Nicht, wenn Oster Sie in den Zeugenstand ruft - oder Sie zur Aussage zwingt. Die Pflicht zur Offenlegung gilt jetzt - den Wählern sei Dank - für beide Seiten. Wenn Oster also damit anfängt, Muscadines Geisteszustand zum Thema zu machen, kann ich Sie ins Kreuzverhör nehmen und alles von Ihnen erfragen, was Sie wissen.«
    »Und wenn Oster mich nicht in den Zeugenstand ruft?«
    »Wieso sollte er nicht?«
    »Weil ich kein Fan von verminderter Zurechnungsfähigkeit bin und nicht aussagen werde, Muscadine sei verrückt gewesen.«
    »Das weiß Oster, wahrscheinlich hat er deshalb auch nur von Leidensdruck gesprochen und nicht von verminderter Zurechnungsfähigkeit. Und ich gebe zu, Muscadine hat gelitten. Der Mistkerl ist regelrecht ausgeschlachtet worden. Wenn Sie in den Zeugenstand treten und von Leidensdruck sprechen, werden wir uns bestimmt gut amüsieren, wenn wir Einzelheiten erfragen. Außerdem könnten Sie einen Bericht schreiben, falls Oster nicht schlau genug ist, Ihnen das ausdrücklich zu untersagen. Machen Sie das, sobald Sie Gelegenheit dazu haben, denn wenn es erst mal schriftlich vorliegt, gilt es als Beweismaterial, das offengelegt werden muss. Falls Oster Sie auf die Zeugenliste setzt oder Sie im Eröffnungsverfahren verwendet, beispielsweise um zu erreichen, dass Muscadine in der Psychiatrie untergebracht wird, ist Ihr Bericht wahrscheinlich eine leichte Beute für uns.«
    »Wahrscheinlich?«
    »Es wird Streit darum geben, aber ich bin ganz zuversichtlich.«

    »Ich weiß nicht, Leah.«
    »Niemand bittet Sie zu lügen. Der Bursche stand tatsächlich unter Leidensdruck. Aber das ist keine Entschuldigung für vier Morde. Und so, wie es im Augenblick aussieht, können wir den Geschworenen nur zwei davon präsentieren - Devane und Locking. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber die Vorstellung, die Morde an Mandy Wright und Kathy DiNapoli könnten offiziell nie aufgeklärt werden, verdirbt mir den Appetit. Sie müssten da was erreichen können. Setzen Sie Ihre therapeutischen Fähigkeiten ein, bringen Sie Muscadine zum Reden. Schließlich drängen Sie sich ja nicht auf, die beiden haben Sie gebeten - zum Donnerwetter, Oster hat Sie sogar unter Druck gesetzt. Wenn Sie seinen Mandanten zum Reden bringen, kann ich vermutlich eine richterliche Anordnung erwirken, dass er sich röntgen lassen muss.«
    »Und wenn er gesteht, Oster mir aber untersagt, irgendetwas Schriftliches zu verfassen, und mich auch nicht in den Zeugenstand holt?«
    »Dann haben wir nichts verloren. Sie bekommen ein bisschen Sachverständigenhonorar, wir versuchen es mit den Fahrradspuren und der Pistole und sehen mal, wie weit wir damit kommen. Aber ich meine, Sie können ihn dazu bringen, dass er Sie einsetzt. Sehen Sie sich Muscadine an, und erzählen Sie Oster die Wahrheit: Sein Mandant hat Entsetzliches durchgemacht. Aber rufen Sie Oster nicht gleich anschließend an, um Ja zu sagen, das wäre zu auffällig. Warten Sie ein, zwei Tage, und stimmen Sie dann zögernd zu.«
    »Ich bin also eine Schachfigur.«
    Sie lachte. »Im Dienste der Gerechtigkeit.«

39
    Kurz nach neun am Abend desselben Tages rief mich Dr. Albert Emerson zurück.
    »Tessa hat einen Selbstmordversuch unternommen«, sagte er mit seiner jungenhaften Stimme, die jetzt sehr ernüchtert klang. »Ich habe sie für drei Tage in der Klinik Flint Hills Cottages untergebracht, eine der besseren.«
    »Wie?«, fragte ich.
    »Pulsadern aufgeschnitten.«
    »Ein ernsthafter Versuch oder ein Hilfeschrei?«
    »Sie hat richtig reingesägt, also hat sie es ernst gemeint. Ihr Vater hat die Blutung
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