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Wo ich zu Hause bin

Wo ich zu Hause bin

Titel: Wo ich zu Hause bin
Autoren: Anselm Gruen
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das vermitteln, was wir mit Heimat verbinden. In der Kindheit haben wir Heimat erfahren, weil wir mit allen Sinnen und mit dem ganzen Herzen dort gelebt haben. So kann uns der Ort, an dem wir leben, auch zur Heimat werden, wenn wir uns Zeit lassen, ihn zu meditieren, ihn zu erwandern, ihn zu spüren. Wer die Stadt, in der er wohnt, immer nur mit seiner Heimatstadt vergleicht, nimmt die Schätze gar nicht wahr, die in dieser Stadt stecken. Und wer nur flüchtig durch die Landschaft fährt, der kann sie nicht als Heimat erleben. Heimat braucht Zeit, und Heimat braucht auch unsere eigene Hinwendung. Indem wir uns auf die Landschaft einlassen, beschenkt sie uns. Auf einmal werden vertraute Wege durch den Waldzur Heimat. Oder der Blick aus dem Fenster vermittelt uns das, was als Heimat in unsere Kindheit schien: die Ahnung von Geborgensein und Getragensein.
    IMPULS
    Fühlst du dich als Heimatvertriebener, als einer, der vertrieben wurde aus der Heimat seiner Kindheit, aus der Geborgenheit eines geschützten Elternhauses? Oder hast du dich nie zu Hause gefühlt? Hast du mit der Heimat dich selbst verloren? Wo findest du heute Orte, an denen du daheim sein kannst, an denen du einfach da bist, willkommen geheißen von dem Raum, der dich umgibt, von der Landschaft, in die du dich eingebettet fühlst? Wenn du keine solchen Orte kennst, dann mache dich auf den Weg: Setze oder stelle dich öfter einfach hin, halte inne und spüre in dich hinein: Was ist für dich Heimat? Wonach sehnst du dich, wenn du an Heimat denkst? Welches Gefühl sollte sich einstellen, damit du dich jetzt in diesem Augenblick daheim fühlst? Bist du deiner Heimatverlorenheit ausgeliefert oder kannst du selber etwas dazu tun, dich daheim zu fühlen? Welche Bilder und Vorstellungen helfen dir, dich daheim zu fühlen? Wenn keine Bilder in dir auftauchen, dann mache folgende Übung: Setze dich in deiner Wohnung in deinen Lieblingsstuhl. Stelle dir vor, dass dich der Frieden deines Zimmers einhüllt. Und dann stelle dir vor, dass Gottes Liebe dich umgibt wie ein schützender Mantel. Oder stelle dir vor, dass all die Menschen, die du je geliebt hast und die dich geliebt haben, dich jetzt mit ihrer Liebe umgeben. Dann kannst du jetzt mitten in der Heimatlosigkeit Heimat erfahren.

Heimat und Sprache

Heimat und Musik

F ür den Philosophen Ernst Bloch hat die Musik eine wichtige Bedeutung bei der Heimatsuche. In ihr klingt etwas vom Heimatklang an, von der Ahnung einer Utopie, die in unsere Herzen schon hineinklingt, aber noch nicht wirklich für uns sichtbar und erlebbar ist. Das gilt nicht nur für die Heimatlieder, die wir gerne gemeinsam singen und die uns an etwas erinnern, was wir mit Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit und mit dem Gefühl für das Geheimnisvolle verbinden. Es gilt von jeder Musik. Jede tiefe Musik rührt in unserem Herzen etwas an, was wir mit Heimat verbinden, mit der Beheimatung unserer Seele in der ewigen Heimat Gottes. Seit Plato klingt in der Musik etwas von der himmlischen Musik auf. Die Musik verweist uns also auf die ewige Heimat bei Gott. Die Musik ist gleichsam der Klang, den Gott uns geschenkt hat, um in uns die Sehnsucht nach der ewigen Heimat zu erwecken.
    Seit 19 Jahren arbeite ich im Recollectiohaus mit Priestern und Ordensleuten, mit Männern und Frauen, die in der Kirche arbeiten und etwas für ihre Seele tun wollen. Bei jedem Kurs fahren wir einen Nachmittag auf den Winkelhof im Steigerwald, wandern dort durch den Wald, halten miteinander Eucharistie und essen zu Abend. Nach dem Abendessen beginnt meistens eine Gesangsrunde. Da werden alte Heimatlieder gesungen. Ich selber spüre beim Singen dieser alten Lieder, wie da das Herz angerührt wird. Ich frage mich, was die Heimatlieder in mir auslösen. Ich erinnere mich an die Ausflüge im Internat. Dort haben unsere Erzieher, die alleeinmal im Krieg waren und vorher bei der deutschen Wandervogelbewegung mitgemacht hatten, mit uns die alten Heimatlieder gesungen. Ich spürte, was das für die Mitbrüder bedeutete, die im Krieg fern ihrer Heimat waren. Unser Regens sang uns dann das Lied vor, das er in der Gefangenschaft in Afrika seinen Mitsoldaten vorgesungen hat: »Heimat, deine Sterne«. Er konnte uns erzählen, wie dieses Lied den Männern die Tränen in die Augen getrieben hat. Sie dachten an die Heimat, an ihre Frauen und Familien und an all das, was Heimat für sie bedeutete. Andere Heimatlieder sind sehr melancholisch. Indem wir sie singen, spüren wir, dass die
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