Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wo ich zu Hause bin

Wo ich zu Hause bin

Titel: Wo ich zu Hause bin
Autoren: Anselm Gruen
Vom Netzwerk:
Gedanken, die mir zum Thema Heimat gekommen sind, und die Gedanken von Dichtern und Denkern, die ich hier angeführt habe, geben keine letzte Antwort auf die Frage, was Heimat heute für uns bedeutet. Mein Anliegen war es, den Leser und die Leserin anzuregen, bei sich selbst zu schauen, wie sie die Sehnsucht nach Heimat in dieser unübersichtlichen Zeit leben wollen, ohne in die alte Heimat-Nostalgie zu verfallen. Die Sehnsucht nach Heimat bewegt jeden Menschen. Die Frage ist, was jeder mit Heimat verbindet. Jeder von uns assoziiert mit Heimat etwas anderes – andere Gefühle, andere Bilder, andere Sehnsüchte. Das Ziel dieses Buches ist nicht, Antworten zu geben, sondern Fragen zu stellen. Wenn wir uns diesen Fragen stellen, kommen wir uns selber näher. Und vielleicht kommen wir dem näher, was für jeden von uns Heimat bedeutet. Aber zugleich werden wir auch erfahren, was Ernst Bloch mit seiner berühmten Definition von Heimat ausdrückt. Heimat ist etwas, »das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war«. Es würde mich freuen, wenn meine Gedanken dem Leser und der Leserin helfen, dass ein Lichtschimmer von Heimat in ihre Kindheit scheint und sie durch das Nachdenken und Nachspüren über die Heimat ihrer Kindheit in neue Räume ihrer eigenen Seele gelangen.
    So möchte ich dich, liebe Leserin, lieber Leser, am Schluss dieses Buches nochmals einladen, dir folgende Fragen zu stellen und für dich persönlich eine Antwort zu formulieren: Welche Erfahrungen von Heimat habe ich in meinem Leben gemacht? Bin ich lange an einem Ort geblieben? Oder habe ich die Orte ständig gewechselt? Würde ich heute einen bestimmten Ort als meine Heimat bezeichnen, den Ort, an dem ich als Kind gelebt habe, oder den Ort, an dem ich heute wohne? Oder ist Heimat für mich unabhängig vom Ort? Erlebe ich Heimat im Kreis von Freunden, die mich tragen? Oder erlebe ich Heimat in der Kirche, in der Kirchen- oder Pfarrgemeinde, in der ich mich engagiere, in der Gruppe von Suchenden, die mich inspirieren? Oder erlebe ich Heimat vor allem bei mir selbst? Kann ich bei mir gut daheim sein? Fühlst du dich bei Gott daheim oder hast du deine Heimat in Gott selbst?
    Und wenn du eine Antwort auf die Frage gefunden hast, wo deine Heimat liegt, dann kannst du auf dem Hintergrund all der Erfahrungen, die ich in diesem Buch angeführt habe, dich fragen, was dieses Gefühl von Heimat in dir auslöst: Was gibt mir Heimat? Warum fühle ich mich da oder dort daheim? Und was verbinde ich für mich mit dem Heimatgefühl? Was bewirkt es in mir? Erlebe ich da meine Wurzeln, die mich heute noch nähren? Oder ist es nur die Sehnsucht nach der heilen Welt, die ich in meine Kindheit hineinprojiziere? Oder ist es – wie Ernst Bloch meint – die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies, die Sehnsucht nach dem Nicht-Ort, der Utopie? Wir können bei allen Reflexionenüber die Heimat keine endgültige Antwort auf diese Fragen geben. Denn jeder verbindet mit Heimat andere Gefühle und andere Erfahrungen, je nachdem, wie er Heimat bisher erlebt hat. Mein Wunsch an die Leser und Leserinnen ist, dass jeder für sich persönlich eine Antwort auf die Frage nach der Heimat findet. Und dass er mit Nietzsche sagen kann: »Wohl dem, der jetzt noch – Heimat hat!« Ich wünsche dir, dass du Orte auf dieser Welt hast, an denen du dich daheim fühlst, dass du Menschen und Gruppen hast, die dir Heimat vermitteln, und dass du dich bei dir selbst und bei Gott daheim fühlst.
    Aber zugleich wünsche ich dir, dass du deine Suche nach Heimat verwirklichst in der Spannung zwischen Heimat und Heimatlosigkeit, die heute nicht nur eine soziologische Wirklichkeit ist, sondern die letztlich dem Wesen des Menschen entspricht. Der Mensch ist von seinem Wesen her unterwegs zwischen Heimat und Heimatlosigkeit. Er hat als Kind Heimat erfahren. Er ist oft genug ausgewandert aus der Enge seiner Heimat, um anderswo Heimat zu finden. Aber auf all seinen Wegen hat er festgestellt, dass es hier auf Erden keine letzte Heimat gibt, immer nur Heimat auf Zeit. Wir sind von unserem Wesen her »Fremdlinge und Beisassen ohne Bürgerrecht« (Hebräerbrief 11,13) in dieser Welt. Wir können uns hier nicht für immer festsetzen. Unsere Seele zeigt uns, dass wir nicht nur im Tod »umsiedeln« werden in den andern Ort, den Gott uns zugedacht hat, sondern dass wir mitten im Leben immer schon Umsiedlung erfahren – metoikesis –, um uns hier dort zuverankern, wo die wahre Heimat liegt. Paulus hat
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher