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Wo ich zu Hause bin

Wo ich zu Hause bin

Titel: Wo ich zu Hause bin
Autoren: Anselm Gruen
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Menschen als auch von dem Ort geliebt werde. Man hat ja oft den Eindruck, dass nicht nur Menschenmich mögen, sondern auch ein Ort. Von ihm geht Liebe aus.
    Wenn ich in Gesprächen danach frage, wo die Menschen an den verschiedenen Orten, an denen sie gewohnt haben, daheim waren, antworten sie: dort, wo sie Kontakte geknüpft haben, sich eingelassen haben auf die bestehende Gemeinschaft, dort wo ein Freundeskreis entstanden ist. Manche erzählen auch, dass sie überall nur immer vorübergehend Wohnende waren. Sie haben sich nirgends eingewurzelt. Bürgermeister von Dörfern mit Neubaugebieten erzählen mir oft, dass in diesen Wohngebieten Menschen leben, die keinerlei Kontakt zur Dorfbevölkerung haben. Sie erscheinen weder in den Gottesdiensten noch bei den Festen der Gemeinde. Sie sind nicht nur selbst heimatlos. Sie nehmen auch den andern im Dorf etwas von Heimat, weil sie ihnen vermitteln, dass sie mit ihnen nichts zu tun haben wollen. So entstehen nicht Städte oder Dörfer, in denen man daheim ist, sondern nur noch Wohnorte, an denen kein Interesse an Gemeinschaft vorhanden ist. Das führt dann oft zu Konflikten. Für die Alteingesessenen gehört das Läuten der Glocke zum Heimatklang. Für die Neu-Zugezogenen wird es zur Lärmbelästigung, gegen die man gerichtlich vorgeht. Umgekehrt aber erleben Menschen, die sich auf das Leben ihrer dörflichen oder kleinstädtischen Gemeinde eingelassen haben und dort schon 30 oder 40 Jahre lang wohnen, dass sie nicht als Einheimische betrachtet werden. Unbewusst unterscheiden die Menschen zwischen Einheimischen und Zugezogenen. Die Einheimischen wohnen seit Generationenam selben Ort und haben dessen Geist geprägt. Selbst wenn von den Zugezogenen in jüngerer Zeit mehr für die Gemeinschaft ausgegangen ist an Ideen und Anregungen als von den Alteingesessenen, zählt das alles nicht. Die »Neuen« werden vielleicht freundlich aufgenommen, aber dennoch spüren sie, dass sie nicht zu den Einheimischen gehören.
    Heimat entsteht dort, wo wir vieles miteinander teilen, wo wir Freud und Leid miteinander erlebt haben. Man hält die Verbindung durch Telefon oder Mail-Kontakt weiterhin aufrecht. Aber oft genug wandeln sich diese Beziehungen auch. Es gibt die zeitweise Heimat, die einige Jahre trägt. Doch dann findet man wieder andere Freunde. Es gibt Freundschaften, die das Leben durchtragen. Aber viele dauern nur jeweils einen Lebensabschnitt lang. Dennoch sehnen sich die Menschen, die bald ein paar Jahre in Deutschland, dann in den USA, dann in England oder China wohnen, nach einem Kreis von Freunden, bei denen sie sich zu Hause fühlen. Die modernen Kommunikationsmittel überspringen die großen Entfernungen. Man schreibt einander Mails und berichtet, wie es einem geht. Man schickt Bilder von sich. Man telefoniert miteinander, um auch die Stimme des andern zu hören. Durch Schreiben und Hören und Sehen wird die Gemeinschaft aufrechterhalten. So schafft man sich die Heimat, indem man die Kommunikation aufrechterhält mit denen, bei denen man sich einmal daheim gefühlt hat.
    Für viele ist in der mobilen Gesellschaft nicht der Geburtsort die Heimat, sondern das Unternehmen, in demsie arbeiten. Doch auch die heimatstiftende Funktion der Firma hat sich gewandelt. Früher gehörte es für die Menschen in Sindelfingen dazu, voller Stolz zu sagen: »Ich arbeite beim Daimler.« Daimler war für die Menschen dieser Umgebung Heimat. Die Kinder und Enkelkinder haben versucht, auch in dem Unternehmen unterzukommen. Viele Kleinstädte hatten mittelständische Firmen, die für viele Menschen in der Umgebung Heimat waren. Man fühlte sich auch dort als Mensch geachtet. Dafür hat man sich auch für das Unternehmen restlos eingesetzt. Es entstand ein Wir-Gefühl, ein Heimatgefühl. Man blieb in dieser Firma oft bis zum Lebensende. Heute gibt es immer weniger Arbeitgeber, die solch ein Heimatgefühl vermitteln können. In vielen Firmen gibt es eine andere Philosophie. Da werden die Menschen ständig versetzt. Gerade wenn ein Unternehmen weltweit agiert, werden die Mitarbeiter in ferne Orte geschickt. Da ist auch in der Firma Mobilität gefragt. In einer Diskussion mit Führungskräften sprachen wir darüber, ob das nicht eine Überforderung sei. Einer meinte, die Sehnsucht, in einem Unternehmen beheimatet zu sein, sei heute durchaus genauso groß wie früher. Aber nicht mehr der Ort, an dem die Firma ansässig ist, sei die Heimat, sondern die Kultur, die in dem Unternehmen gilt, werde zur
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