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Akte X

Akte X

Titel: Akte X
Autoren: Ruinen
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    Ruinen von Xitaclan, Yucatan, Mexiko Freitag, 5.45 Uhr
    Selbst nach tagelangen anstrengenden Ausgrabungen hatten sie kaum die Oberfläche der antiken Stadt angekratzt. Doch Cassandra Rubicon hatte bereits genug gesehen, um zu wissen, daß die Ruinen großartige Funde aus der Zeit der Geburt des Maya-Reiches in sich bargen.
    Am äußersten westlichen Rand der Yucatan-Halbinsel, wo die Kalksteinebene an vulkanisches Hochland und dampfende Dschungelgebiete grenzt, war die versunkene Stadt mehr als tausend Jahre lang vom Urwald überwuchert gewesen. Die einheimischen Helfer nannten den Ort Xitaclan, und in ihren Stimmen schwang Ehrfurcht und Angst, wenn sie diesen Namen aussprachen.
    Cassandra ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen und genoß die Bilder, die es heraufbeschwor – Bilder von alten Opferriten, Prunk und Glanz, von Blutpriestern, geschmückt mit Jade und grünen Quetzalfedern. Xitaclan...
    Am späten Nachmittag arbeitete sie allein in der Pyramide des Kukulkan und leuchtete mit ihrer Taschenlampe voraus, während sie immer tiefer in das Gebäude eindrang. An diesem Ort wimmelte es geradezu vor Geheimnissen. In der kalkig bitteren Luft konnte sie die Mysterien geradezu schmecken, die nur darauf warteten, von ihr entdeckt zu werden.
    Cassandra richtete den Strahl ihrer Taschenlampe geradeaus und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar – normalerweise hatte es den rötlich-braunen Schimmer frisch geschälter Zimtrinde, doch nun war es staubig und schweißverklebt. Die Farbe ihrer Augen lag irgendwo in der Mitte zwischen Grün und Braun, wie ergiebiges Kupfererz.
    Vor der Pyramide waren ihre Partner von der University of California mit Außengrabungen beschäftigt und verzeichneten den Grundriß der Stadt: mit ihrer zeremoniellen Plaza, ihren Tempeln und ihren monolithischen Kalkstein-Obelisken, den Stelen, in die furchterregende Darstellungen von mythischen gefiederten Schlangen eingemeißelt waren. Auch hatten sie eine von Ranken überwucherte »Ballspiel«-Arena entdeckt, in der die Maya ihre blutigen Wettkämpfe veranstaltet hatten, deren Verlierer oder – je nach historischer Deutung – Gewinner den Göttern geopfert wurden.
    Xitaclan, mit seinen unzähligen Ruinen, war so etwas wie eine archäologische Schatztruhe – selbst ein großes Team mit ausreichenden Geldmitteln hätte die versunkene Stadt nicht in weniger als einem Jahr erforschen können. Doch Cassandra und ihre jungen Begleiter würden ihr Bestes tun, solange das bescheidene Universitätsbudget reichte.
    Im sie umgebenden Dschungel ragten noch immer zahlreiche moosüberwachsene Stelen an astronomisch bedeutsamen Punkten auf, während andere umgestürzt waren; alle waren jedoch über und über mit faszinierenden Gravuren bedeckt. Christopher Porte, der Epigraphiker ihres Teams, widmete sich voller Begeisterung ihrer Übersetzung und übertrug alle Erkenntnisse sorgfältig in seinen zerfledderten Notizblock, den er ständig bei sich trug.
    Das Prachtstück von Xitaclan jedoch war die großartige Stufenpyramide des Kukulkan, die in der Mitte der Stadt lag. Obwohl von Gräsern und Sträuchern überwuchert, war sie sehr gut erhalten. In ihrer Architektur stand sie den großen Zikkurats von Chichen Itza, Tikal und Teotihuacan in nichts nach – und im Gegensatz zu diesen war sie unangetastet geblieben. Der lähmende Aberglaube der Einheimischen hatte sie vor neugierigen Augen bewahrt. Bis jetzt.
    Auf der obersten Plattform der Pyramide standen die vielen Säulen des »Tempels der gefiederten Schlange« mit ihren erstaunlichen Reliefs und reich verzierten Friesen, die Kalender, Götterbilder oder historische Ereignisse zeigten. Cassandra selbst hatte dem Tempel seinen Namen gegeben, nachdem sie zahlreiche Motive entdeckt hatte, die den weisen Gott Kukulkan und seine gefiederten, reptilienhaften Begleiter oder Wächter darstellten – ein verbreitetes Symbol in der Mythologie der Maya. Die komplexen Basreliefs von Xitaclan jedoch verliehen den Quetzalcoatl/Kukulkan-Legenden der frühen mittelamerikanischen Kulturen eine völlig neue Dimension.
    Die Archäologen waren außerdem auf eine unermeßlich tiefe Zisterne hinter der Pyramide gestoßen, einen natürlichen Kalksteinschacht, der mit öligem, schwarzem Wasser gefüllt war und in dessen finsteren Tiefen, wie Cassandra argwöhnte, zahllose Artefakte und Relikte verborgen lagen... und wahrscheinlich auch die Gebeine von Menschenopfern. Solche Kalksteinbrunnen oder Cenotes waren in den
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