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Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Titel: Wo der Tod begraben liegt (German Edition)
Autoren: Martin Gohlke
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Manfred seinen Kopf bewegte und sie sich auf diese Weise an ihre Aufgabe erinnerte, dass jetzt nur das letzte Wohlergehen ihres Mannes für sie von Interesse sein sollte. „Auch wenn wir flüstern, könnte Manfred unsere Dauerunterhaltung anstrengen.“ Einen Punkt wollte sie aber noch setzen. „Manfred ist schwach und kirre im Kopf, kein Wunder bei den Medikamenten.“
    „Ja“, stimmte der Professor nun zu, auch wenn er anderer Auffassung war. Auch er wollte, dass sich Ilona ganz auf ihre Hilfe konzentrieren konnte, etwas, was sogleich von Nöten wurde, denn Manfreds Kopfbewegung hatte ein erneutes Erwachen angedeutet.
    „Gorleben musste töten“, sprach Manfred.
    Sofort beugte sich Ilona wieder zu ihren Mann. Nach Wörtern wollte sie nicht mehr suchen, sie sprach mit einer Reihe zärtlicher Berührungen.
    Manfred sprach weiter. Sein Murmeln erinnerte jetzt an den Text eines Liedes, das er sehr mochte. Zwischen den Sätzen machte er jeweils eine kleine Pause.
    Gerade dachte Ilona, dass er jetzt wieder schlafe, da begann er von Neuem. Nochmal folgten einige Sätze. Dem Professor fiel sofort auf, dass Manfred erstmals seit Stunden wieder stark schwitzte.
    „Es ist noch nicht alles gewesen, Professor.“
    Manfred drehte seinen Kopf zur Seite und schaute dem Professor in die Augen. Einen Moment hörte man nur das Rasseln in seinem Atem, dann legte sich rhythmisch seine Stimme darüber. „Du brachtest in mir den Positivismus um, nur so konnte ich Gleiches mit den Ringen in Ottokar junior tun. Und so liegt die Verantwortung nicht allein bei mir. Denk daran, ich wurde glücklich.“
    Nun drehte Manfred seinen Kopf zu Ilona. Er hatte es eilig, denn er wollte nur noch schlafen.
    „Später“, sagte Manfred zu seiner Frau.
     

Epilog
     
     
    Einige Wochen nach Manfreds Tod jährte sich der 30. Todestag von Werner Karbert. Damit endete die Liegezeit seines Grabes und schon kurze Zeit später wurde es zum Zweck der Neuverwendung ordnungsgemäß ausgehoben. Neben den wenigen Knochenreste, die man dabei fand und die kurzerhand an gleicher Stelle wieder verscharrt wurden, gab es noch einen weiteren Fund.
    Der Professor hatte es organisiert, dass die Begräbnisstätte nicht mit Hilfe eines Baggers, sondern per Schaufel von seinem Helfer gehoben wurde. Der Helfer war es dann, der fand, was der Professor suchte. In unmittelbarer Nähe eines Beckenknochens lagen die zehn goldenen Ringe, die 1944/45 den ermordeten Häftlingen im Keller des humanistischen Gymnasiums von Neuenkirchburg von einem Gestapo-Mitarbeiter gestohlen worden waren und die Manfred bei seinen Recherchen 35 Jahre später im Jahr 1979 wiedergefunden und sich angeeignet hatte. Zwei Jahre später, in den Katakomben unter der Mintarder Autobahnbrücke, zwang er Werner Karbert, die Ringe in den Mund zu nehmen und hinunterzuschlucken.
    Sensibilisiert durch seine neuen Kenntnisse zur Gerontologie hatte sich der Professor bereits unmittelbar nach den letzten Worten, die Manfred am Sterbebett an ihn gerichtet hatte, nach einer Verbindung zwischen den Ringen und Werner Karbert gefragt. Bis zum Begräbnis drängte der Professor seine Gedanken angesichts seiner Fürsorgepflichten gegenüber Ilona zurück. Dann ging er seinen Vermutungen nach.
    Immerzu erinnerte sich der Professor dabei an die Aussage, die ihm bei seinem Studium des Aufsatzes des bekannten Gerontologen begegnet war: „Der Mensch nimmt nichts mit ins Grab; wer das versucht, hat den Preis zu zahlen, dass er zu keinem Zeitpunkt seine Ruhe findet.“ Bald war dem Professor klar, dass Manfred den Entschluss, sein Gewissen zu erleichtern, erst in den letzten Stunden seines Lebens gefasst hat. Es war eine Folge davon, dass Manfred keine Ruhe fand. Den Grad von Manfreds erlebter Unruhe versuchte sich der Professor als eine Art Fegefeuer vorzustellen. Manfred muss dabei gemerkt haben, dass es für die Erleichterung seines Gewissens genügte, wenn er den Mord dem Professor gesteht. Ilona musste und sollte es nicht erfahren. So übermittelte er das, was er dem Professor mitteilen wollte, verklausuliert , dabei zugleich so klar wie möglich.
    Dem Professor half es, dass er sich Manfreds Äußerungen auf dem Smartphone seines Helfers immer wieder anhören konnte: „Du brachtest in mir den Positivismus um, so konnte ich gleiches mit den Ringen in Ottokar junior tun. Und so liegt die Verantwortung nicht allein bei mir. Denk dabei daran, ich wurde glücklich.“
    Immer tiefer brachte der Professor diese drei Sätze
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