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Wo bist du und wenn nicht wieso

Wo bist du und wenn nicht wieso

Titel: Wo bist du und wenn nicht wieso
Autoren: Michael Mary
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hinter dem Ärger mit Sicherheit verborgenen Bedürfnisse nicht mitteilen. Für solche Fälle hat der Herrgott den Streit erfunden.
Streit als Mittel der Selbstoffenbarung
    Streit bietet die Möglichkeit, unklare Verhältnisse zu klären. Das tut er aber nur, wenn er nicht dem Ziel dient, den anderen zu besiegen und sich auf jeden Fall gegen ihn durchzusetzen. Solche Siege erweisen sich an anderer Stelle als Bumerang. Beim anderen entstehen negative Gefühle, man agiert, als wäre der andere ein »Gegner«. Streit klärt dann eine Situation, wenn er auf dem Hintergrund der Vermutung abläuft, dass die Partner sich etwas mitteilen wollen, aber nicht wissen, was das ist oder wie das geschehen kann. In einem Internetforum fand ich folgende Frage eines Mannes:
    »Meine Freundin lässt mich immer alles bezahlen. Ich verdiene zwar viel mehr als sie und finde das grundsätzlich auch in Ordnung, aber sie bezahlt nie etwas. Sie nimmt nicht mal mehr ihre Geldbörse mit, wenn wir ausgehen. Wenn ich sage, sie könne ja auch mal was bezahlen, und wenn es nur eine Kleinigkeit wäre, gibt es Streit, und ich höre dann Sprüche wie ,Wenn ich dir zu teuer bin, dann such dir doch eine Billigere.‘«
    Es gab im Forum zahlreiche Tipps und Meinungen dazu, wie der Mann damit umgehen solle. Aber jeder Ratschlag ging an der Sache vorbei. Das eigentliche Thema ist nicht das Geld, sondern es geht um Gefühle. Im Grunde schreibt der Mann: »Ich habe den Eindruck, meine Freundin nutzt mich aus.« Ihre Reaktion und vor allem die flapsige Bemerkung ,Wenn ich dir zu teuer bin, dann such dir eine Billigere‘ bestärkt mich in diesem Eindruck. Ich möchte aber nicht in einer Beziehung leben, in der ich mich von der Partnerin ausgenutzt fühle.«
„Ich will mit dir streiten“
    Was soll man dem Mann guten Gewissens empfehlen? Er soll sich offenbaren – aber offensichtlich mag seine Partnerin nichts hören. Meine Empfehlung lautet daher: Streite dich, aber breche keinen Streit vom Zaun. Das sähe dann etwa so aus: Der Mann sagt seiner Freundin: »Ich will mich mit dir über das Thema Geld streiten.« Sie lehnt das erst ab, sieht das Thema Geld nicht als Problem. Er aber beharrt darauf. Nach einigen Tagen und nachdem er seinen Fehdehandschuh zum dritten Mal geworfen hat, geht sie darauf ein und hört zu. Jetzt offenbart er sich und sagt, wie er sich fühlt, nämlich ausgenutzt. Was immer sie jetzt sagt, überprüft er daraufhin, ob es sein Gefühl verändert. Sätze wie »Du brauchst dich doch nicht ausgenutzt zu fühlen« oder »Das ist doch albern« oder »Du bist ein Geizkragen« ändern an seinem Gefühl nichts. Erst eine Frage wie beispielsweise »Wodurch entsteht das Gefühl, und was würde es verändern?« oder die Aussage »Ich sehe, dass du ein Problem hast« bringt Bewegung in die Sache. Denn mit solch einer Frage geht sie auf seine Gefühle ein.
    Streit lädt eine Situation auf und erzwingt so Aufmerksamkeit. Er nutzt aber nichts, wenn es nur um das sogenannte »Thema«, in dem Fall das Thema Geld, geht. Streit nutzt nur, wenn die Partner die Kurve vom Thema zu den dahinterliegenden Gefühlen bekommen, denn die Gefühle des Partners können etwas auslösen.
    Paare sollten ihre Beziehung nicht unter ein Harmoniediktat stellen, weil sie damit individuelle Gefühlslagen ignorieren. Sie sollten stattdessen Streit für sinnvoll halten. Fruchtbar wird ein Streit meist aber nur, wenn er von beiden Seiten aufgegriffen wird und sich beide darauf einigen: »Wir sollten uns streiten« oder »Gut, streiten wir uns!« Bei unwillkürlich und unkontrolliert ausgetragenem Streit ist das Risiko groß, dass er aus dem Ruder gerät und zu unnötigen Verletzungen führt.
Verletzungen gehören dazu
    Dies führt zu einer weiteren Empfehlung an frische Paare, die lautet: Geben Sie die Vorstellung auf, den Partner nicht verletzen zu wollen. Verletzungen sind in Beziehungen unvermeidlich. Das Thema wird ähnlich wie die Sünde betrachtet. Es ist etwas, das eigentlich nicht passieren sollte, aber dennoch ständig passiert; und wer seinen Partner verletzt, der macht sich schuldig. Dann bekommt er ein schlechtes Gewissen, unterwirft sich oder kämpft gegen den Partner an. Nichts von alledem ist von großem Nutzen.
    Schauen wir uns an, was bei einer Verletzung passiert: Fred hat zwei Kinokarten besorgt. Seine Freundin ist empört, dass er sie nicht gefragt hat, in welchen Film sie gehen möchte. Fred ist verletzt und hält ihr das vor. Er ist verletzt, weil seine
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