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Wo bist du und wenn nicht wieso

Wo bist du und wenn nicht wieso

Titel: Wo bist du und wenn nicht wieso
Autoren: Michael Mary
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lange suchen, sprechen von der Sehnsucht »endlich anzukommen« und dann vom Glück »angekommen zu sein«. Aber wo sind Sie tatsächlich angekommen? An einem Ziel, einem Endpunkt? Eher ist es wohl ein anderer Weg. Mag sein, dass auf diesem neuen Weg die Sonne öfter scheint, aber auch dort gibt es schattige Passagen und Fallgruben, kurzum: weitere Herausforderungen.
    Man geht jetzt nicht mehr allein, sondern vielleicht Hand in Hand oder Arm in Arm. Das heißt auch: Partner sind nicht mehr frei. Sie sind in Beziehung. Sie sind gebunden. Aber sie wollen sich dennoch frei fühlen. Wie soll das gehen? Dieser Widerspruch ist unlösbar, aber unproblematisch, solange man dem, was in der Beziehung geschieht, nur zustimmt. Doch das wird nur gelingen, wenn man nicht nur auf den Partner Rücksicht nimmt, sondern ebenso auf sich selbst. Zugespitzt kann man es so formulieren: Eine Beziehung findet zwischen zwei Egoisten statt und nicht zwischen zwei Altruisten. Anders ausgedrückt heißt das, um zusammen zu kommen, müssen die Partner getrennt sein, um sich zu verbinden, muss Abstand zwischen ihnen sein, so wie es zwischen zwei Individuen üblich ist.
Vorsicht bei Harmonie und Kompromissen!
    Daher kann man die Idee von der dauerhaft harmonischen, konfliktfreien Beziehung getrost vergessen. Ich empfehle das übrigens wärmstens, denn ich habe in der Beratung immer wieder Paare vor mir sitzen, die in die Harmoniefalle geraten und Kompromissen auf den Leim gegangen sind.
    Partner, die unter Harmoniezwang stehen, sind bereit, sich selbst eine Menge zuzumuten. Um des lieben Friedens willen, damit sie ihre Ruhe haben, damit es keinen Streit gibt. Und genau dadurch beschädigen sie ungewollt die Beziehung, denn der Teil ihrer Persönlichkeit, der unterdrückt wird, nagt am Wohlbefinden und stört die Beziehung. Schließlich hört niemand auf, ein Individuum zu sein, nur weil er eine Beziehung eingeht und einen anderen Menschen liebt. Genau genommen lebt eine Beziehung zu weiten Teilen – vor allem im Bereich der leidenschaftlich-emotionalen Liebe – von der Unterschiedlichkeit der Partner. Und gleichzeitig stellt diese Unterschiedlichkeit eine Gefahr für die Beziehung dar, denn sie bedeutet ja: Wir haben verschiedene Meinungen, verschiedene Bedürfnisse, verschiedene Pläne, verschiedene Vorlieben und Abneigungen, verschiedene Gewohnheiten. Wir sind zwei verschiedene Menschen.
Auseinandersetzungen nicht ausweichen
    »Harmoniker« tendieren dazu, diesen Unterschieden auszuweichen und sie in Kompromissen auflösen zu wollen. Aber auch das ist eine Spielart davon, nicht in Beziehung zu sein. Harmoniker sind nämlich kein echtes Gegenüber. Sie sind nicht greifbar, man kann sich nicht an ihnen reiben. Sie vermeiden zwar den Fehler, sich um jeden Preis gegen den Partner durchsetzen zu wollen, machen aber einen anderen Fehler, indem sie Auseinandersetzungen ausweichen.
    Konrad und Angelika haben unterschiedliche Hobbys. Er taucht besonders gern, während sie gern Snowboard fährt. Dementsprechend will er im Sommer ans Meer, während sie im Winter in die Berge möchte. Beide können sich nicht vorstellen, den Urlaub allein zu verbringen, weshalb jeder versucht, den anderen zu überreden. Schließlich einigen sie sich darauf, dass einmal der eine und im darauffolgenden Jahr der andere nachgibt und dem Partner zuliebe auf sein Hobby verzichtet.
    Doch glücklich ist keiner von beiden mit dem Kompromiss. Sie sind sich dadurch auch nicht nähergekommen, ganz im Gegenteil. Unterschwellig haben sie sich voneinander entfernt, denn sie haben eine Situation geschaffen, mit der keiner recht glücklich sein kann. Am Meer bekommt Konrad ein schlechtes Gewissen, weil er Angelika leiden sieht, und umgekehrt bekommt sie ein schlechtes Gewissen in den Bergen, wenn sie ihn gute Miene zu bösem Spiel machen sieht. Sie stellen ihre Regelung infrage und suchen nach einer besseren Lösung.
    Die Lösung des Problems zeigt sich im schlechten Gewissen. Könnte das schlechte Gewissen sprechen, würde es nämlich sagen: »Ich möchte nicht, dass du leidest, ich möchte, dass du glücklich bist.« Die Antwort eines jeden Partners darauf würde lauten: »Dann verlange nichts von mir, das mich leiden lässt. Verlange keinen solchen Kompromiss von mir und lass uns getrennt in Urlaub fahren!«
    Was haben Konrad und Angelika falsch gemacht? Sie haben es verpasst, einander zu offenbaren, stattdessen haben sie eine halbherzige Regelung ausgehandelt. Über Gefühle lässt
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