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Wo bist du und wenn nicht wieso

Wo bist du und wenn nicht wieso

Titel: Wo bist du und wenn nicht wieso
Autoren: Michael Mary
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oberflächlicher Mann!
     
    Funken verhindern:
    Uli findet das Foto von Gerd, auf das sie in der Internet-Partnerbörse gestoßen ist, »super«. Sie schreibt ihm und gibt sich Mühe, aus der Menge der Frauen, die diesem attraktiven Mann mit Sicherheit schreiben, herauszuragen. Sie schreibt ihm in Versform. Diese Gedichtform – und ausdrücklich nicht den Inhalt der Verse – findet Gerd derart blöde, dass er sie aussortiert und ihr eine harsche Absage schickt. Gerds Urteil lautet: naiv, nicht ernst zu nehmen!
     
    Funken ausschlagen:
    Bettina und Klaus haben sich über fünf Wochen hinweg E-Mails geschrieben und sich über alles Mögliche ausgetauscht. Seine Lockerheit und sein Humor sind bei ihr gut angekommen, eine positive Erwartungsspannung hat sich aufgebaut. Jetzt sehen sich die beiden zum ersten Mal in einer Szenekneipe. Der Vergleich mit den vorher ausgetauschten Fotos hält dem realen Aussehen beider gerade noch stand, auch wenn sie in Wirklichkeit etwas älter aussehen als auf den Fotos. Die Herzen der beiden beginnen zu klopfen. Nur über eines kommt Bettina nicht hinweg: Klaus hat weiße Socken in seinen braunen Sandalen an. Socken zu Sandalen, zudem noch weiße, das schockiert Bettina derart, dass sie steif und höflich eine halbe Stunde mit Klaus verbringt und sich dann aus dem Staub macht. Sie hatte ihn in dem Augenblick aussortiert, als ihr Blick auf sein Schuhwerk fiel. Was auch immer Klaus von da an sagte oder tat, er blieb ohne Chance. Bettinas Urteil lautet: schlichter Charakter, geschmacklos!
     
    Flammen ersticken:
    Ingolf und Annegret sind einen Schritt weiter als die potenziellen Partner aus den vorigen Beispielen. Nach drei Wochen E-Mails, Telefonaten und einigen Spaziergängen sind sie bei Annegret im Bett gelandet. Sie haben Lust aufeinander. Ingolf zieht Annegret die Hose herunter. Als diese über ihre Beine gleitet, quellen unmittelbar vor Ingolfs Augen Schamhaare aus ihrem Slip hervor. Schamhaare – noch dazu auf beiden Seiten des Slips! Das kann Ingolf nicht verkraften. Dass Annegret nicht wie alle anderen Frauen, mit denen er es versucht hat, rasiert ist, macht ihn sprachlos. Mit den Worten »Sorry, ich kann das nicht« macht er sich blitzschnell aus dem Staub. Annegret weiß nicht, wie ihr geschieht, aber sie weiß: Ich bin aussortiert. Ingolfs Urteil lautet: eine primitive Frau!
    Solche Beispiele ließen sich bis ins Unendliche fortführen, derart zahllos und kreativ sind die Möglichkeiten, Funken und Feuer zu löschen. Mal ist es sein harmloser sächsischer Akzent, der im E-Mail-Verkehr verborgen blieb, aber beim ersten Treffen nicht zu überhören ist, ein anderes Mal sind es ihre lackierten Fußnägel, die auf ihn einen »prolligen« Eindruck machen.
    In jedem der Beispiele fällt die Geschwindigkeit auf, mit der suchende Singles zu ihrem Urteil kommen und aussortieren. Ein solches Tempo kann man erreichen, indem man den Partner vor ein Schnellgericht stellt.
Das Schnellgericht
    In der Kontaktphase bringen suchende Singles potenzielle Partner häufig vor ein Schnellgericht, wo es blitzschnell zu einem Urteil kommt. Dieses lautet entweder »Es funkt nicht« oder »Es passt nicht« – und das war es dann.
    Ein Schnellgericht zeichnet sich dadurch aus, dass es weder einen Verteidiger noch einen Staatsanwalt braucht. Ein Verteidiger würde dem Angeklagten beispringen, ein Staatsanwalt müsste die Anklage ausführlich begründen. Der Verteidiger würde beispielsweise die Fragen aufwerfen: »Was genau ist an weißen Socken so schlimm?« oder »Deuten Rechtschreibfehler tatsächlich auf einen schlichten Charakter hin?« Der Staatsanwalt seinerseits müsste seine Anklage sachlich untermauern.
    Beim Schnellgericht des suchenden Singles werden solche Verzögerungen vermieden, es wird ohne Umwege gleich ein Urteil verkündet. Dieses Urteil muss nicht näher begründet werden, der Richter entscheidet allein nach seinem Empfinden, das von enttäuschten Erwartungen ausgelöst wird. Ob diese Erwartungen bewusst sind im Sinne von: »Ich werde niemals eine Beziehung zu jemandem haben, der weiße Socken trägt«, oder ob sie unbewusst waren und sich erst im Schock des Augenblicks bemerkbar machen: »Um Gottes Willen, der trägt weiße Socken!«, das ist unerheblich. Das Urteil beruft sich auf ein scheinbar untrügliches Gefühl.
    Außenstehenden mag diese Gefühlsbegründung seltsam und merkwürdig erscheinen, oder an den Haaren herbeigezogen und fadenscheinig vorkommen – dem suchenden
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