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Witch Boy: Stadt der Geister (German Edition)

Witch Boy: Stadt der Geister (German Edition)

Titel: Witch Boy: Stadt der Geister (German Edition)
Autoren: Romana Grimm
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unausweichliche Ende.
    Nur, dass es nicht kam.
    Archies lautes Luftschnappen ließ ihn reflexartig aufsehen, gerade rechtzeitig, um den Strudel aus Licht zu bewundern, der sie wie eine kleine Galaxie über seinem Altar schwebend bildete. Er war wunderschön, geformt aus ätherischen Nebeln, die in leuchtendem Purpur, dunklem Orange und sogar strahlendem Blau und Grün Hoffnung, Frieden und Liebe verströmten. Die Geister, die jetzt darauf zustrebten, lösten sich mit einem Seufzer in kleine, schimmernde Partikel auf und schlossen sich diesem Wunder an. Die Spinne hing wie eine schwere Gewitterwolke darüber, heulte vor Schmerz und wedelte wild mit einem rauchenden Armstumpf herum.
    „Das ist der absolute Wahnsinn “, hauchte Archie. Sein Griff lockerte sich und er ging mit vor Staunen offenem Mund einen Schritt darauf zu. „Was ist das?“
    „Keine Ahnung, ich- “ Seth sah von der Seite ein weiteres, schmieriges Bein auf sie zukommen. Es visierte Archie an, nicht ihn, und er tat das einzige, das ihm in diesem Moment einfiel: Er stellte sich dazwischen und bekam die dornige Spitze gnadenlos in den Bauch gerammt. „Oh Gott!“
    „Seth!”
    Vor Seths Augen flimmerte es, in seinen Ohren rauschte es, und die Adern in seinem Kopf schwollen so sehr an, dass er sich wünschte, sie würden zerbersten, damit der Schmerz nachließ, der sein Gehirn zusammenquetschte. Er hörte keine Worte und sah keine scharfen Konturen. Die Welt drehte sich auf ihrer Achse und mit einem Mal lag er auf dem Rücken und starrte hinein in das pulsierende, warme, unbeschreibliche Licht. Es tropfte wie Wachs in einer Lavalampe zu Boden und sammelte sich in einer gleißenden Pfütze. Er war vollkommen fertig, sein Kopf war wie leergefegt. Nur ein Gedanke war geblieben, und der drehte sich um die Tür, die er erschaffen hatte. Er spürte die Wärme unter seinem Rücken, fühlte die Erleichterung, die sie ihm brachte.
    Seth gab, was er konnte, um so vielen Geistern wie möglich die Chance zu geben, das Weite zu suchen. Er rechnete trotzdem mit dem Schlimmsten; es war offensichtlich, dass er kein Gegner für das Wesen aus Rauch und Bösartigkeit war.
    Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass mit einem Mal etwas zu ihm zurückkam.
    Erst nur leicht, aber zunehmend stärker werdend rollte Welle über Welle an Zuneigung, Bewunderung und Staunen von seinen Fingerspitzen, Zehen und dem Scheitel in sein Inneres, als wäre er eine Art Labyrinth, das am Strand geflutet wurde. Unterhalb seiner Brust, genau dort, wo die Spinne ihn durchbohrt hatte, fing es an zu kribbeln und zu fließen. Er fühlte ein Geflecht entstehen und mit jedem Schub an Freude und Hoffnung wachsen, der ihn umspülte.
    „Gott, Seth, ist alles okay mit dir?“, fragte Archie aufgelöst. Er kniete neben Seth und ließ seine Hände durch sein Gesicht fahren, als ob er ihn wieder zu vollem Bewusstsein tätscheln wollte. „Hast du Schmerzen?“
    „Nein “, flüsterte er.
    Archies Gesicht verzog sich, und im nächsten Moment liefen ihm schon Tränen über das pausbäckige Gesicht. „Was sollen wir tun? Sie ist immer noch da. “
    „Du gehst mit den anderen “, sagte Seth leise, aber bestimmt, „und ich kümmere mich um den Rest.“
    „Ja, aber- “
    „Nichts aber. Hau ab, Alter. Ich sehe dich in ein paar Jahrzehnten doch wieder.“ Oder in fünf Minuten , doch das sagte Seth nicht laut.
    Verschämt wischte der andere Junge sich über das Gesicht. „Okay. Aber sei vorsichtig. Ich nehm es dir echt übel, wenn du dieses Miststück nicht fertigmachst.“
    Ein kleines Lächeln schlich sich auf Seths Gesicht, obwohl er einen Kloß von der Größe eines Hühnereis in der Kehle hatte. „Ich gebe mein Bestes. “
    „Mach’s gut, Seth. Wir sehen uns auf der anderen Seite wieder. Grüß die anderen von mir.“
    „Bye, Kumpel. “
    Aus tränenverschleierten Augen sah Seth zu, wie Archie sich erhob und mit stetigem Schritt auf das Licht zuging. Je näher er kam, desto unschärfer wurden seine Konturen, und dann, einfach so, löste er sich in karamellbraun funkelnden Nebel auf und fügte sich nahtlos in die atemberaubende Schönheit der langsam kreisenden Galaxie ein.
    Als er fort war, griff Seth mit jeder Hand tief in das Gras und schloss die Augen. Er atmete tief ein, wieder und wieder, um der Gefühle Herr zu werden, die durch ihn tobten und seine Brust zu sprengen drohten. Er spürte das Licht in seinem Gesicht, heilsam und melancholisch zugleich, und viel zu schön, um es sich lange
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