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Wir sind nur Menschen

Wir sind nur Menschen

Titel: Wir sind nur Menschen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mich schämen müßte, mit ihm unter Menschen zu gehen. Nein, so ist es nicht! Aber ich will in Köln keine Sensation sein, sondern ich möchte mich still in meine Aufgaben zurückziehen – ich will arbeiten, nichts als arbeiten! Ich habe eine große Verpflichtung übernommen, als ich ein völlig unbekanntes Serum in einem Selbstversuch erprobte und meine Beine mir wieder gehorchten. Ich habe mir damals geschworen, dieses Serum der ganzen Menschheit zugänglich zu machen, wenn ich auch immer noch nicht weiß, wer der geniale Forscher war, der es fand. Es ist ein Wunder, dieses Serum, das zunächst nur in meine Hand gegeben wurde – durch ein unbekanntes, anonymes Paket!
    Ich glaube, daß Sie mich verstehen, verehrter Herr von Barthey, und ich weiß, daß mir Ihre liebenswürdige Fürsorge und die Mithilfe meiner Kölner Freunde die Kraft geben werden, dieses große Werk zu vollbringen.«
    Als er dieses Schreiben noch einmal überlas, kamen ihm die Worte hohl und dumm vor.
    Die Tatsache, daß das Serum in Erlangen entstanden war, aber keiner wußte, wer es entwickelt und hergestellt hatte, war für ihn niederschmetternder als die Ergebnislosigkeit einer ganzen Versuchsreihe. Hier, in Deutschland, gab es einen Mann, der den Schlüssel zu vielen Krankheiten in der Hand hielt, der mehr konnte als er, Dr. Peter Perthes der Toxikologe. Einen Mann, der die ›Schwarze Witwe‹ besiegte mit einer lächerlich laienhaften Ampulle, mit Wachs verschlossen …
    Aber er ließ den Brief so, wie er war. Er faltete ihn, steckte ihn in einen Umschlag und trug ihn zur Post.
    Dann stand er auf dem Bahnhofsvorplatz und ließ die Haare im Wind flattern, die Haare, die in Zapuare weiß geworden waren, ein Opfer der sengenden Hitze.
    Arbeiten, dachte er. Nur noch arbeiten!
    Ich werde nach Köln fahren, noch bevor die vierzehn Tage um sind … Ich habe keine Ruhe mehr …
    Und wieder hatte es das Schicksal anders bestimmt.
    Vier Tage später erhielt Dr. Perthes einen Brief aus München. Der Rektor der Erlanger Universität hatte seinem Kollegen und Freund, dem Rektor der Münchener Universität, berichtet, daß der bekannte Toxikologe Dr. Perthes, der Entdecker eines Curare-Serums, zur Zeit in Erlangen sei und nicht an eine Klinik gebunden wäre. Er wolle den Münchnern einen Wink geben, sich diesen Mann, der zu den größten Hoffnungen berechtigte, zu sichern.
    Am nächsten Tag reiste Dr. Perthes von Erlangen ab. In München empfing man ihn wie ein Weltwunder. Man stellte ihm alle Labors zur Verfügung, geldliche Mittel nach Belieben, eine Klinik für Versuche, die Poliklinik, die Chirurgische Abteilung. Es gab kein Wenn und Aber mehr – es gab nur Zusicherungen in einem Umfang, wie sie ein Wissenschaftler bisher kaum erhalten hatte.
    Und man gab ihm die Möglichkeit, seine Pläne sofort in die Tat umzusetzen. In der Nacht noch unterschrieb er den Vertrag.

XVI
    Im Juni 1952 lebte Dr. Peter Perthes in München. Er forschte, kannte keine Ruhe, schlief in den Laboratorien, wo man ihm ein Feldbett aufgeschlagen hatte.
    Die kleine Ampulle, die letzte der zehn, war nach wenigen Versuchen verbraucht – nach Versuchen, die zu keinem Ergebnis geführt hatten. Dieses Serum erwies sich als widerspenstig.
    So war Dr. Perthes jetzt, nach Monaten, zu einer eigenen Versuchsreihe gekommen, zu der er sich das Gift der ›Schwarzen Witwe‹ vom Tropeninstitut hatte kommen lassen. Nun forschte er, ganze Ställe voller Affen und Kaninchen um sich herum, mit weniger Glück als Angela vor einem Jahr. Er kam nicht weiter.
    Teilerfolge freuten ihn, bis er einsehen mußte, daß das Gift stärker war und nach einer gewissen Zeit, genährt durch die Körperwärme, wieder durchschlug.
    Er saß in den Kliniken an den Betten der Kranken, er hatte Zutritt zu allen Stationen der Universitäts-Krankenhäuser, er hockte in der serologischen Abteilung und ließ sich von Professor Dr. Donath die Erfolge und Mißerfolge der Münchener Wissenschaftler erklären …
    Und dann ging er wieder durch die langen Gänge der Kliniken, arbeitete mit Gummihandschuhen in den Isolierstationen, stand die Nächte über im Keller der Anatomie und nahm selbst die Autopsie der Toten vor, die dem Ansturm der Viren und Bakterien erlegen waren.
    Am Morgen stieg er dann von neuem ans Tageslicht, fahl, eingefallen, unrasiert, mit glänzenden Augen, wusch sich schnell in seinem Zimmer, nahm ein Bad, rasierte sich, trank hastig seinen Morgenkaffee, schlang ein Brötchen hinunter oder verzehrte
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