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Wir sind nur Menschen

Wir sind nur Menschen

Titel: Wir sind nur Menschen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schüttelte den Kopf. Zu Professor Window meinte er: »Seit Peter fort ist, stimmt etwas mit Angela nicht mehr. Ich mache mir große Sorgen um sie. Sie scheint nicht zu wissen, was sie eigentlich will. Sie ist nirgends mehr so recht zu Hause. Sie irrt umher und sucht sich selbst. Sie scheint völlig aus der Bahn des täglichen Lebens geworfen worden zu sein. Ein armes Mädchen, das man nicht allein lassen sollte …«
    Aber die Tatsachen sprachen eine andere Sprache. Angela Bender wußte sehr wohl was sie wollte. Sie tauchte unter, entzog sich den Blicken und Nachfragen ihrer Freunde und lebte in der Stille ein Leben der Beschränkung – nur für das Kind und sich.
    Und diese Stille suchte sie nicht auf dem Land, wie man hätte meinen können, sondern mitten in der Großstadt, wo der einzelne Mensch einsamer ist als auf einer Insel im Meer. In einem großen, hohen Haus, in einer Enge von wenigen Zimmern, grau in der Grauheit der Masse Mensch ist er nichts als ein Punkt unter der Sonne.
    Angela Bender zog nach München.
    Zuerst wohnte sie in der Kaufinger Straße, mit einem Blick auf die hohen Zwiebeltürme der Frauenkirche, und Tag und Nacht brandete der Großstadtverkehr vor ihren Fenstern vorbei.
    Autokolonnen von der Sendlinger zur Theatinerstraße, vom Marienplatz zum Karlsplatz. Eingebaut in Türme, starrte sie aus dem Fenster. Die Türme der Frauenkirche, der Turm des alten Rathauses, der Turm der Peterskirche, der hohe Giebel der Michaelskirche … Steine, Asphalt, Teer, Lärm, Staub, Gedränge von schwitzenden Menschen, Auspuffgase, Schreien, Hupen, Johlen …
    Nach einem Monat zog sie um, nach Gauting, in ein schönes, mitten im Garten liegendes Häuschen, zu dessen Tür drei breite Stufen hinaufführten. Ein Weg durch Blumenbeete und weißen, schillernden Kies …
    Hier fand sie drei Zimmer; die Besitzerin des Hauses war eine Landgerichtsratswitwe, die glücklich war, daß junges Leben in ihre stillen Räume zog, und die lange gesucht hatte, bis sie eine ihr angenehme Mieterin gefunden hatte.
    Wenn auch der Atem der Großstadt bis hierhin wehte, Angela lag im Garten im Liegestuhl, Blumen rings um sich, und las in einem Buch, den Kinderwagen mit dem krähenden Peter neben sich. Hier atmete sie nur den Blütenduft und den Geruch der in der Sonne schwitzenden Bäume und dachte nicht an die Autos, die vor dem weißen Tor brummend über den Asphalt rollten.
    Hier, in Gautin vor München, am Rande der brodelnden Großstadt, begründete sie eine neue Praxis. Da im Umkreis noch eine Kollegin praktizierte, bekam sie keine Krankenkassenzulassung, sondern war nur auf den recht spärlichen Besuch von Privatpatienten angewiesen.
    Aber es reichte fürs tägliche Leben, sie ernährte sich und das Kind und war es zufrieden, daß sie manchmal an einem Tag nur zwei oder drei Kinder zu behandeln hatte, meist leichte Fälle von Mandelentzündung oder Windpocken.
    So erholte sich Angela, blühte von neuem auf, bekam vollere Wangen, und die Blässe ihres Gesichts wich einer zarten Röte der Gesundung.
    Das Leben ging weiter. Ohne Köln. Ohne Erlangen.
    Und auch ohne Peter Perthes …
    Und der konnte das alles nicht wissen, als er in seinem Hotelzimmer in Erlangen saß und seine Pläne zur Auffindung des geheimnisvollen Absenders der zehn rettenden Ampullen entwickelte.
    Seine Besuche in der Universität, bei dem Rektor, in der Klinik waren ergebnislos. Mit Professor Dr. Purr sprach er gar nicht, weil der als Chef einer Kinderklinik außerhalb des Personenkreises lag, den Peter vorgesehen hatte. So machte er Fehler über Fehler – Unterlassungen über Unterlassungen, die er aber nicht verbessern konnte, weil er in Unkenntnis handelte.
    Notgedrungen traf er bei seinen Rundreisen durch die alte Universitätsstadt auch auf den Diener der Laboratorien, auf Fritz Benischek.
    Dieser wiederholte sein Spiel der bis 18 Uhr gebundenen Pflichterfüllung – wie seinerzeit bei Dr. Paul Sacher.
    Nur mit dem Unterschied, daß Perthes sich nicht abwimmeln ließ, sondern einen Ausweis des Rektors vorzeigte. Benischek kniff die Augen zusammen, setzte umständlich seine Brille auf und las den Ausweis langsam durch. »Herrn Dr. Perthes ist jede Unterstützung bei der Erforschung eines dringenden Falles zu gewähren …«
    So stand da zu lesen. »Hm!« machte Benischek und gab den Ausweis zurück. »Denn kommse mal rin!«
    Er tappte voraus in das Zimmer, in dem Angela das Serum entwickelt hatte. Peter Perthes setzte sich auf das Sofa. Er war am
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