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TKKG 073 - Hilflos in eisiger Nacht

TKKG 073 - Hilflos in eisiger Nacht

Titel: TKKG 073 - Hilflos in eisiger Nacht
Autoren: Stefan Wolf
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Journalistischer Auftrag
     
    Es war Gabys Idee. Alle im Redaktions-Team, die sonst den Geistesblitzen der Quotenmädchen eher skeptisch gegenüberstehen, hatten schließlich mit Begeisterung zugestimmt.
    Die Rede ist von der neuen Internats-Schülerzeitung, die anfangs dieses Jahres geboren wurde.
    Die alte war dahingeschieden infolge Desinteresse der Leser, also der Schüler und wegen steigender Kosten und rückläufiger Inserate - dem einzigen Finanzierungsmittel.
    Für die neue Zeitung hatten Tim, der früher Tarzan genannt wurde, und elf weitere Mitarbeiter - darunter auch Gaby und Karl - alles viel besser geregelt.
    Zig Vorschläge für die Benennung waren eingegangen: Schlüsselloch-Gucker, Rufmörder,
    Pennäler-Kampfblatt, Massenhysterie, Jammerkasten und Weltecho.
    Entschieden hatte man sich für den etwas sperrigen und englischen Titel BS-OBSERVER. Das BS stand für Boarding-School. Das Blättchen hieß also HEIMSCHUL- BEOBACHTER.
    Monatliches Erscheinen. Infos aus der Internats Schule und der nahen Millionenstadt. Ausufernder Sportteil und ein bisschen Kultur.
    Dieses bisschen war Gaby, die sich zusammen mit Susanne Seufzerbrück-Almenhorst gegen die männliche Übermacht behaupten musste, ein Dorn im Auge.
    "Auf zwei Seiten fehlt der faszinierende Kick", hatte sie sich ereifert. "Die große Geschichte, die jeder verschlingt. Was Neues muss es sein. Nicht die ausgefranste Socke von gestern. Wer hat 'n Idee? Dachte ich mir, ihr Pensionistengehirne. Aber mir ist was eingefallen.
    Ich nenne es: die arglose Verfolgung.
    "Gibt es nicht", hatte Karl dagegengehalten.
    "Verfolgung ist immer belastet vom Arg. Denn Argwohn, also Misstrauen, führt ja überhaupt erst dazu, dass man mit dem Hinterherlaufen anfängt."
    "Falsch!" trumpfte Gaby auf. "Und typisch männlich gedacht. Also gleich doppelt falsch. Denn man kann auch verfolgen aus argloser Neugier. Nein, nicht um
    festzustellen, wo ein Typ oder eine Süße ihre
    Heimadresse hat. Das wäre zu flach. Ich meine es anders."
    Mal hören, dachte Tim, der immer wieder hingerissen ist von Gabys flippigem Schnelldenken.
    "Lass mal hören", sagte er.
    Gaby hatte gegen ihren goldblonden Pony gepustet und dann die seidigen Wimpern zu Hilfe genommen, um ihn aus der Blickrichtung zu schieben.
    "Also", sagte sie. "Immer wenn ich in unserer Riesenstadt die eilenden und hetzenden Menschen betrachte rund um mich rum, drängt sich mir die Frage auf: Wohin wollen die eigentlich alle? Weshalb und warum?
    Beim People-Watching (Leute beobachten) im
    Bahnhof befällt mich das. Im Airport. In der S- und der U- Bahn, auf den Straßen. Immer wieder frage ich mich: Wohin wollen die alle?"
    "Der eine oder andere will nach Hause", meinte FranzWerner von Friesewiz, der sich als Spaßvogel verstand.
    Gaby nickte. "Einige sicherlich. Aber nicht alle. Und selbst bei den einigen fragt man sich: Warum? Wo sie doch zu Hause nur von Öde erwartet werden, von Langeweile, Streit, Geschirr abwaschen oder hirnrissigem Fernsehprogramm."
    "Bring's auf den Punkt", hatte Tim gesagt. "Wie soll die
    journalistische Aufgabe aussehen?"
    "Unser Reporter vom BS-Observer streicht durch die Stadt. Willkürlich pickt er sich eine Person heraus.
    Jemanden, der ihm instinktiv interessant erscheint. Dann verfolgt er die Person, wohin die auch geht, fährt, fliegt oder... hm... schwimmt."
    "Schwimmen?" fragte Franz-Werner. "Wir haben jetzt Mitte Januar und fünf Grad Kälte. Da gefriert nicht nur die Spucke beim Spucken. Auch die Hunde heben kaum noch das Bein."
    "Also gut", schränkte Tims Freundin ein. "Wenn die verfolgte Person nicht das Hallenbad aufsucht, sondern eine Kreuzfahrt antritt, endet die Verfolgung. Ebenso beim Check-in am Flughafen. Aber das dürften die Ausnahmen sein. Alle anderen werden verfolgt bis zum Punkt X, wo es zwar nicht weitergeht, der aber noch auf unserem Terrain liegt. Dann ein nettes, kurzes, zwischenmenschlich-fruchtbares Interview - und schon haben wir eine Geschichte des Kalibers: wohin und warum im Alltag? Menschen aus unserer und für unsere Welt."
    "Finde ich super! " Tim war begeistert.
    "Total hip!" nickten die ändern.
    Susanne, mit der immer die Gefühle durchgehen, umarmte Gaby und küsste sie auf die Wange.
    "Echt Spitze, Pfote! Vielleicht gewinnen wir einen ersten Preis bei einem Wettbewerb für Nachwuchsjournalisten. Wer macht den Auftakt?"
    Elf Augenpaare richteten sich auf Tim.
    Der blickte bescheiden auf seine Zehen, die allerdings in winterwarmen Outdoor-Sneakers
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