Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir sind nur Menschen

Wir sind nur Menschen

Titel: Wir sind nur Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
flogen vorbei, gepflegte Felder, kräftiges buntes Vieh. Durch kleine verschlafene Bahnhöfe raste der Schnellzug. Ab und zu winkte ein Mann in der blauen Uniform der Bundesbahn.
    Durch die Gänge des Wagens lief ein Kellner der Mitropa und bot Reiselektüre und Sprudel an. Die Sonne schien jetzt grell in den Wagen. Es wurde warm.
    Göttingen. Der Zug hielt hier nur kurz. Auch hier Trümmer …
    Mein Gott, dachte Peter Perthes, ich habe gar nicht mehr gewußt, wie zerstört meine Heimat ist. Ich habe drüben in Kolumbien in Bogota nur weiße Paläste gesehen. Und in Zapuare Blockhütten unter Riesenbäumen, strotzend von Kraft und Gesundheit. Aber Trümmer?
    Er preßte den Kopf an die Scheibe, während der Zug weiterrollte.
    Die Dörfer wurden lichter, auch hier sah man wiederaufgebaute Häuser.
    Dann Kassel: eine einzige Anklage. Schwarze, ausgebrannte Hausruinen. Straßen und ganze Stadtteile eingeebnet. Überwuchert von Unkraut, von Brennesseln, wilden Möhren und struppigem Gras.
    Durch den Staub der Straßen liefen die Menschen, und sie sahen die Ruinen nicht mehr. Der Blick eines Menschen gewöhnt sich schnell an seine Umgebung.
    Aber er kam von draußen wieder, er sah die Trümmer der Heimat überscharf. Und das Herz krampfte sich ihm zusammen …
    Hinter Kassel schlief er ein, übermüdet, niedergedrückt vom Schauen. Erst in Frankfurt schrak er wieder hoch.
    Der Zug fuhr in den Sackbahnhof ein und wurde in Kurswagen eingeteilt. Perthes stieg aus und bummelte an den Läden in der Bahnhofshalle vorbei. Er bestaunte die bunte, reichhaltige Auslage. Ein Jahr kann einen Menschen völlig entwöhnen, dachte er plötzlich erschreckt. Er stand vor einem Parfümerieladen und starrte lange die verschiedenen Cremes, Seifen und Parfüms an. Lavendel, Kölnisch Wasser, Juchten …
    Mit Suprana rasiert – der halbe Tag gewonnen. Am Rio Guaviare trug er einen langen, blonden Vollbart – dann rasierte ihn Fernando mit einem alten Rasiermesser, eingeseift mit einfacher Kernseife. Wunde Haut? Ach was, sie mußte sich daran gewöhnen!
    Ich gehöre ja gar nicht mehr hierher, durchzuckte es ihn. Bei allem, was ich sehe, was ich lese, muß ich an den Urwald denken! Alles hier kommt mir so fad, so dumm, so hochgezüchtet vor. Ist das denn noch der Mensch, von dem Gott sagte, er solle nach seinem Ebenbild sein? So verweichlicht, so im Treibhaus lebend, so bar aller Natur …?
    Perthes setzte sich in den Wartesaal zweiter Klasse und trank ein Pilsner. Auf den Gleisen rangierten lärmend die Wagen. Er hatte noch eine Stunde Aufenthalt.
    Mit einem Spaziergang durch die Geschäftsstraßen Frankfurts füllte er sie aus. Im letzten Augenblick erreichte er noch seinen Zug. Dann ratterte er weiter.
    Am späten Abend traf er in Erlangen ein. In einem Hotel am Bahnhof mietete er sich ein und ließ sich vom Kellner einen genauen Stadtplan geben. Auf ihm kreuzte er die Straßen und Gebäude an, die er besuchen wollte:
    Universität – Universitätsklinik – die Laboratorien – Polizeipräsidium – Einwohnermeldeamt – die Privatwohnung des Rektors der Universität.
    Er legte sich dann sofort ins Bett und schlief traumlos bis in den nächsten Morgen hinein.
    Mit dieser Reise begann der große Fehler von Dr. Perthes' Rückkehr in die Heimat.
    Durch seine heimliche Einreise von England aus verpaßte er eine Aussprache mit Professor Window und Dr. Paul Sacher in Köln. Da hätte er erfahren, daß Angela nicht mehr in Erlangen war. Er wußte ja überhaupt nicht, daß sie einmal in dieser Stadt gelebt hatte. Er kannte ja Erlangen vor allem von dem Deckel eines kleinen Paketes.
    Wolf von Barthey hatte ihm gesagt, daß er und die Kölner Freunde nicht wüßten, wohin Dr. Angela Bender gegangen sei – diese Auskunft war für Peter maßgebend.
    Angela Bender aber war, nach der Ausheilung ihres Nervenfiebers, zu einer kleinen Nachkur in die Alpen gefahren und hatte von Schöllang aus ihren Dienst in der Erlanger Klinik gekündigt.
    Als Professor Purr, außer sich und vor neuen Rätseln stehend, mit dem nächsten Zug am Nebelhorn eintraf, war Angela bereits aus ihrer Pension ausgezogen und hatte nicht hinterlassen, wohin sie gefahren war. Die kleine Wohnung in Erlangen hatte sie mit allem Mobiliar verkauft. Den kleinen Peter hatte sie überall mitgenommen.
    Nun stand Professor Purr verwirrt auf dem Marktplatz von Schöllang. Wieder breitete sich ein Dunkel um Angela Bender. Auch Dr. Sacher in Köln, dem Purr sofort diese neue Situation mitteilte,

Weitere Kostenlose Bücher