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Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Titel: Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
Autoren: Astrid Herbold
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die nette Parkbankrunde freut. Das sind jetzt alles ihre neuen besten Freundinnen. Man baut sich gegenseitig auf: »Du siehst ja heute echt schlecht aus.« Man teilt Ängste und Sorgen miteinander: »Ich hab auch kaum geschlafen. Leon hat nachts dreimal gekotzt.« Man leistet den nötigen Beistand: »Bist du sicher, dass es nichts Ansteckendes ist?« Man steht sich mit Rat und Tat zur Seite: »Was, Cola gibst du dem Kind, bist du verrückt?« Man tröstet sich gegenseitig: »Dein Leon hat echt dauernd was. Bin ich froh, dass Lisa so gut wie nie krank ist. Muss wohl an ihren guten Abwehrkräften liegen.«
    Ja, Lisas legendäre Abwehrkräfte. Allen Umsitzenden ist es ein Rätsel, wie sie die aufrechterhält, bei der Ernährung. Lisas Mama füttert das Kind nämlich laufend mit Schokoriegeln, während den anderen Müttern Schrecken und Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben stehen: Rohrzucker! Naschen zwischen den Mahlzeiten! Und nicht mal aus dem Bioladen! Einmal hat die Lisa-Mama sogar eine Fanta rausgeholt. In einer Nuckelflasche. Fanta! Nuckelflasche! Karies! Gaumenverformung! Mundfäule!
    Lukes Mama, die hat ja früher mal Soziologie studiert, meinte neulich, es wäre ja auch kein Wunder, dass Lisa immer so rumzappelt. Muss ja hyperaktiv werden bei dieser permanenten Überzuckerung. Dabei sollte ausgerechnet die sich nicht als große Expertin aufspielen, denn bei ihrem kleinen Tyrannen hat sie auch nicht viel zu melden – »Er hat eben einen sehr starken Willen.« Letzte Woche hat sie ihr blödes Balg auf die Schaukel gesetzt und machte auch nach 15 Minuten immer noch keine Anstalten, es wieder runterzuheben. Obwohl mittlerweile fünf heulende Kleinkinder in der Schlange standen und auch mal schaukeln wollten. Selbst den freundlichen Hinweis von Lucas Mutter, dass dies doch ein Gemeinschaftsspielplatz und somit auch keine Privatschaukel sei, ignorierte die blöde Kuh. Fragte ihren willensstarken Luke nur mit leiser Stimme, ob er denn vielleicht mal runter möchte. Kopfschütteln. »Er möchte noch nicht runter. Soll ich ihn da etwa runterreißen?« Ja, nickten die Umstehenden. Aber das war dem verzogenen Einzelkind offenbar nicht zuzumuten. Wäre seelisch zu grausam gewesen.
    Seitdem spricht die Luca-Mama übrigens nicht mehr mit der Luke-Mama, weil die Luca-Mama, das ist so eine ganz Gerechtigkeitsfanatische, die achtet immer penibel darauf, dass alles genau geteilt wird. Und dabei auch noch total umweltfreundlich ist. Bei denen zu Hause im Kinderzimmer stehen nur selbst geflochtene Körbe mit Muscheln, Stöcken, Federn, Eicheln und Kastanien rum. Und das Kind steckt immer von Kopf bis Fuß in lammwollenem, über die Jahre steinhart gewordenem Hippiezeug – »darf man nicht waschen, wegen der natürlichen Fettschicht in der Wolle«.
    »Lass den Jungen – oder ist es doch ein Mädchen, kann man nicht so recht erkennen bei den schulterlangen Dreadlocks – erst mal in die Pubertät kommen, dann wird er-sie-es der Mutter das Strickzeug schon noch um die Ohren hauen«, sagt die Mutter von Lena und Ludwig immer. Dabei hat die selbst einen totalen Knall. Wenn jemand wagt, ihren dreijährigen Zwillingen ein Gummibärchen anzubieten, wollen sie gleich auf der Verpackung hinten im Kleingedruckten nachsehen, ob sie »E«s mit Zahlen dahinter finden. »Das darf ich nicht, da sind Farbstoffe drin.« Was »Pakteriän« sind, wissen sie auch schon, nämlich das, was an der Trinkflasche klebt, wenn schon jemand anderes daraus getrunken hat. Hochgradig giftig und gefährlich.
    Aber, na ja, immer noch besser so als umgekehrt. Die Mutter von Laurin zum Beispiel, die setzt das Kind tagsüber regelmäßig stundenlang vor den Fernseher. Das machen die anderen zwar manchmal auch, würden es aber nie zugeben. Nur die Mutter von Louiza (»mit o, u und z«) und Loys (»mit o und y«) ist in Sachen Medien ganz rigoros, aber die kann ja eh keiner leiden. Schon weil die Kinder schrecklich altkluge Besserwisser sind, die dauernd damit angeben, dass sie schon »ganz toll« lesen und Geige spielen können.
    Da ist einem ja selbst die Lilli-Mama lieber, die, die immer ohne Punkt und Komma redet, während die Kleine schüchtern und stumm daneben steht. Sie soll ja ganz schlimm Neurodermitis und Pseudokrupp haben. Ist bestimmt psychosomatisch, bei der dominanten Mutter. Erst gestern hat man sich darüber ausgiebig mit der Mutter von Linus und Lotta unterhalten. Die sieht übrigens echt magersüchtig aus. Und ihre Kinder sind auch ganz klein
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