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Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Titel: Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
Autoren: Astrid Herbold
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Leben einer Mutter erfordern zugegebenermaßen eine gewisse Opferbereitschaft. Man verliert womöglich Arbeitsplatz, Hobbys, Freunde. Aber man gewinnt ja auch viel: eine pflegeleichte Kurzhaarfrisur, haushohe moralische Überlegenheit gegenüber dem Rest der egoistisch-hedonistischen Erwachsenenwelt und unzählige Lobeshymnen von familienpolitisch engagierten Feuilletonisten, die nicht müde werden, die Mühen und Anstrengungen der Mutterschaft wortreich zu würdigen. Und weil sie mit der Formulierung dieser wichtigen Artikel derart ausgelastet sind, konnten sie natürlich leider nicht selbst in die Elternzeit gehen. Da war es schon besser, dass die Frau zu Hause geblieben ist.
    Aber welche Mutter wollte auch einen schnöden Redakteursposten gegen diesen Himmel auf Erden tauschen, der früher einmal völlig zu Recht Erziehungsurlaub hieß. Diese Welt voller rosaroter Kinderwangen und voll glockenhellem Kinderlachen, voller sanfter mütterlicher Liebkosungen, weicher Taschentücher und saftiger Apfelschnitze. Und voller zukünftiger Kinderbuchautorinnen. Backend, kochend, singend, spielend, schaukelnd, wiegend und Nase putzend vergehen die Tage wie im Flug. Nur die Anfängerinnen erkennt man gelegentlich noch am nervös wippenden Fuß beim vierzigsten Nachmittag in Folge auf dem Spielplatz. Aber das legt sich. Bald schon macht sich auch bei ihnen eine stoische Schicksalsergebenheit breit. Man hat ja auch wahrlich genug zu tun mit seiner neuen Vollzeitstelle als Motivationstrainer – »Komm! Versuch es noch mal! Das schaffst du!« – und Applausmaschine – »Bravo! Super! Ganz, ganz toll gemacht!« Und wenn sich die Schwermut einmal doch zu quälend aufs Gemüt legen will, findet sich bestimmt noch eine kleine Erledigung. Braucht das Kind nicht dringend ein süßes Mützchen? Oder ein niedliches Jäckchen? Ein putziges Latzhöschen? Man könnte ja mal versuchen, selbst etwas zu nähen, das ist billiger und langwieriger. Da geht der Nachmittag gleich viel schneller vorbei.
    Bald hat man fast vergessen, dass es irgendwo da draußen noch ein Paralleluniversum gibt. Eine Welt, in der nicht permanent dicke gelbe Schleimrinnsale aus Nasenlöchern in Münder laufen und in der man nicht mit den Fäusten auf den Boden haut, wenn die Kekse allealle – Entschuldigung: verzehrt sind. Eine Welt, in der es Parfüm und Lippenstift und hohe Schuhe gibt. Und Männer. Ja, genau, es gibt ja auch noch Männer. Wenn man erst mal Mutter ist, vergisst man das leicht. Was sicher auch damit zu tun hat, dass man nur noch höchst selten welche sieht. Egal, ob man mit einem zusammenlebt oder nicht. Die Elternzeit ist in dieser Hinsicht ein großer Gleichmacher. Um nicht zu sagen: Versöhner. Nicht zwischen Mann und Frau, sondern zwischen Single- und Pärchen-Mama. In der weitgehend männerfreien Zone zwischen Abenteuerspielplatz und auf Allergien spezialisierten Homöopathen kommt es sogar zu regelrechten Verbrüderungsszenen: »Ich weiß genau, wie du dich fühlst. Ich bin ja unter der Woche quasi auch allein erziehend. Mein Mann ist sowieso nie zu Hause.«
    Dass der Vergleich ein klein wenig hinkt, weil ja der abwesende Gatte immerhin ordentlich Geld für das nächste farblich aufeinander abgestimmte Petit-Bateau-Outfit des Nachwuchses mit nach Hause bringt, übergeht die großherzige echte Alleinerziehende bei dieser Gelegenheit geflissentlich. Immerhin sitzt man ja doch irgendwie im selben Boot. Während alle anderen Erwachsenen auf einem völlig anderen Dampfer sind.
    Manchmal sieht man diese Menschen noch morgens auf der Straße von weitem, wenn sie, geduscht und frisiert, mit einem Lachs-Frischkäse-Bagel und einem Latte Macchiato in der Hand zu einem wichtigen Meeting eilen, während man selbst, unausgeschlafen, ungefrühstückt und ungeduscht, auf dem Rückweg vom Kinderarzt nur schnell noch zu Edeka flitzt, weil das kotzende Kind dringend Kamillentee und Zwieback braucht. Und während die Fraktion der Geduschten und Frisierten an diesem Tag in irgendeinem klimatisierten Konferenzraum souverän das Weltgeschehen lenkt, wird die Mutter später auf dem Spielplatz unter ihresgleichen eine erhitzte Debatte über den sinnvollen oder sinnlosen Einsatz von koffein- und zuckerhaltigen Brausegetränken bei Magen- und Darmverstimmungen führen. Die letzten Nachmittage waren übrigens interessanten Diskussionen zum Thema gaumenfreundlichste Schnullerform und saugfähigste Billigwindel gewidmet.
    Überhaupt, wie sehr sie sich schon wieder auf
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