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Wir sind alle Islaender

Titel: Wir sind alle Islaender
Autoren: Halldór Gudmundsson
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Ausland und versprach hohe Zinsen, Landsbanki mit Icesave in England und Holland, Kaupthing mit Kaupthing Edge in England und Deutschland.
    Isländer kauften die dänische Fluggesellschaft Sterling Airways, die isländische FL-Group hielt eine Zeitlang 4,25 Prozent der deutschen Commerzbank, Björgolfur Thor Björgolfssons Pharmafirma Actavis hatte 2008 elftausend Angestellte in über vierzig Ländern. Was Investitionen im Ausland anging, war die Baugur-Group die Nummer eins – bis sie im März 2009 für bankrott erklärt wurde. Ein Jahr zuvor hatte sie noch Anteile an dreitausendsiebenhundert Geschäften weltweit gehalten, vom Magasin du Nord in Kopenhagen bis zu Hanley’s in London, man zählte siebzigtausend Angestellte. Jon Asgeir Johannesson, der Haupteigentümer von Baugur, war schließlich auch stärkster Aktionär der dritten gro ßen Bank Glitnir (früher Islandsbanki) geworden. Diese Bank war noch vor den anderen in Privatbesitz gekommen.
    Will man David Oddsson im übertragenen Sinne als Doktor Frankenstein des Kapitalismus sehen, so hatte er sich mit Baugur ein Monster geschaffen, das er nicht bändigen konnte. Johannessons Familie, die ursprünglich mit populären Billigwarengeschäften in Island ihr Geld machte, war an politischer Rücksichtname nicht im Geringsten interessiert. Als die Baugur-Group 2003 mit einer Zeitung und einem Fernsehkanal ins Mediengeschäft einstieg, wollte David Oddsson ihrem wachsenden Einfluss und der Gefahr der Monopolbildung mit einem Mediengesetz Einhalt gebieten. Aber als dieses enorm umstrittene Gesetz im Sommer
2004 vom Parlament verabschiedet wurde, verweigerte der isländische Präsident – zum ersten Mal in der Geschichte der Republik – die Unterschrift. Schlussendlich führte die Episode zum Rücktritt Oddsons als Premierminister im September 2004. Der Markt wies die Politik in ihre Schranken.
    Wie konnten die Isländer sich diese riesigen Investitionen im Ausland überhaupt leisten?, wurde überall gefragt. Die Erklärung liegt auf der Hand: Hier trafen neue, aggressive Banken-Eigentümer auf billiges Geld, mit dem die westliche Welt in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts, von Amerika ausgehend, regelrecht überschwemmt wurde. Die Besitzer der Banken waren in jede Menge anderer Betriebe involviert und an ihnen beteiligt, Eigentumsverhältnisse verliefen kreuz und quer, und das Gleiche galt für die Kredite. Es war ein Wachstum auf Pump. Die Expansion der Banken war darauf angelegt, ins Unendliche zu gehen – man nahm immer neue Kredite auf, kaufte immer neue Firmen und verkaufte sie wieder. So stieg der Wert der Banken in den Bilanzen bei jedem Schritt. Die dänische Fluggesellschaft Sterling etwa wurde 2005 von einer isländischen Gesellschaft gekauft und bereits ein Jahr später an die isländische FL-Group verkauft, und wieder ein knappes Jahr später an eine weitere isländische Holding Company verhökert. Jedes Mal stieg der Preis, obwohl die Airline die ganze Zeit nur Verluste einflog. Bei ihrem Konkurs im Herbst 2008 war die Gesellschaft aufgrund der aufgelaufenen Verluste fast nichts mehr wert. So lief der Investitionszirkus. Als es 2007 für die isländischen Banken schwieriger wurde, sich von anderen Banken Geld zu leihen, besorgte man es sich mit Hochzinsversprechen von Kleinanlegern über die Internetbanken Icesave und Kaupthing Edge – mit unabsehbaren Folgen für die isländische Volkswirtschaft, wie sich heute zeigt.

    Aber in den ersten Jahren nach der Privatisierung der Banken schien dies die beste aller Welten, auf jeden Fall in den Augen der isländischen Geschäftsleute. Sie waren nicht nur unglaublich reich, sondern auch unglaublich neureich, und sparten nicht an Symbolen ihres Reichtums. Auf dem kleinen Flughafen im Zentrum von Reykjavík (Islands internationaler Flughafen liegt außerhalb der Stadt in Keflavík) standen bis zu zehn Privatjets auf einmal, auf den Straßen der Stadt wimmelte es von teuren Luxusjeeps. Jon Asgeir Johannesson leistete sich sowohl einen Privatjet als auch eine große Yacht, der Fußballfan Björgolfur Gudmundsson kaufte sich die englische Premiere-League-Mannschaft West Ham. Den Brüdern August und Lydur Gudmundsson genügte nichts weniger als Mariu, die Luxusyacht des Giorgio Armani, mit sechs Schlafzimmern. Dafür liehen sie sich dreihundert Millionen Kronen, ein Siebtel des geschätzten Kaufpreises, bei Kaupthing, wo sie Großaktionäre waren; aber dieses Darlehen verschwand geradezu in den
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