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Wir sind alle Islaender

Titel: Wir sind alle Islaender
Autoren: Halldór Gudmundsson
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isländischen Medien ist diese Zeit – dieser Prozess
vom Sommer 2002 – ein breites Thema. Es ist eine komplizierte Geschichte, die unter anderem dazu führte, dass ein Experte aus dem Privatisierungskomitee, Steingrimur Ari Arason, zurücktrat, weil er eigenen Angaben zufolge nie im Leben so unsaubere Arbeitsweisen erlebt hatte. Aber die Fakten sprechen für sich: Ursprünglich plante man eine breite Eigentumsverteilung mit vielen Kleinaktionären. Von dieser Politik wich man ab und fand für beide Banken je eine Haupteigentümergruppe, die jede für sich einer der Regierungsparteien nahestanden. Leitender Hauptaktionär der Landsbanki wurde die Samson-Gruppe, mit 45,8 Prozent der Aktien, die sie für zwölf Milliarden Kronen erhielt. Ein ähnlich hoher Anteil von Bunadarbankinn wurde an die so genannte S-Gruppe verkauft. Die Samson-Gruppe, bestehend aus Björgolfur Gudmundsson, seinem Sohn Björgolfur Thor Björgolfsson und deren engem Mitarbeiter Magnus Thorsteinsson, schien – wie der biblische Name andeutet – unglaublich stark. So etwas von Kaufkraft hatten die Isländer noch nie erlebt. Björgolfur, den Älteren, kannte man schon, seine Reederei Hafskip hatte seinerzeit einen spektakulären Konkurs erlitten, der ihn zeitweise in Untersuchungshaft brachte, aber die anderen waren junge Löwen, deren Treiben auf dem isländischen Markt man gespannt entgegensah. Die drei hatten ab 1993 ihr Glück im russischen St. Petersburg im Brauereigeschäft versucht; am Anfang hatten sie mit schwierigen Problemen zu kämpfen, aber langsam ging es aufwärts, und großen Erfolg hatten sie schließlich mit ihrer Brauerei Bravo. Im Jahre 2002 verkauften sie diese an Heineken für vierhundert Millionen US-Dollar, damals fünfunddreißig Milliarden Kronen – Landsbankinn hätten sie also gleich dreimal kaufen können.

    Björgolfur Gudmundsson war schon seit einiger Zeit auf den Heimatmarkt zurückgekehrt. Er war mit seinen Partnern in die wachsende Pharmabranche auf Island eingestiegen, und überdies hatte er auch kulturelle Interessen; unter anderem übernahm er im Frühjahr 2002 die Mehrheit am Verlag Edda/Mal og menning, bei dem ich damals als Verleger tätig war und der in finanzielle Bedrängnis geraten war (2007 kaufte die alte Literaturgesellschaft Mal og menning, ursprünglicher Eigentümer des Verlags, die Anteile wieder zurück, aber das ist eine andere Geschichte). Björgolfur war sehr an seinem Renommee gelegen. Er tat sich in den nächsten Jahren als Kunstmäzen hervor und war treibende Kraft beim Bau der isländischen Konzerthalle, die derzeit halbfertig als größte Denkmalsruine der isländischen Megalomanie am Hafen von Reykjavík steht.
    Nicht überraschenderweise sagte man Leuten, die in diesen Jahren in Russland reich wurden, Mafiakontakte nach; unter anderem berichtete die englische Zeitung The Guardian (16/6 2005) über mysteriöse Todesfälle im Petersburger Brauereiwesen, und auch auf Island hat es nie an solchen Geschichten gemangelt. Bewiesen ist bisher nichts, und Heineken behauptete seinerzeit, sie hätten die Brauerei Bravo gerade deshalb gekauft, weil sie keine Verbindung zur Mafia hätte.
    In den nächsten Jahren tat sich Björgolfur, der Jüngere, als internationaler Investor hervor, nicht zuletzt als Haupteigentümer des Pharmakonzerns Actavis, und im Jahre 2008 listete Forbes ihn auf Platz 307 der reichsten Männer der Welt – in England, wo er lebt, kam er das Jahr davor sogar auf Platz 23 mit einem Privateigentum von über zwei Milliarden Pfund. Seitdem ist er um vierhundert Plätze gefallen. Es darf erwähnt werden, dass
die Deutsche Bank in diesen ersten, intensiven Jahren Vater und Sohn bei deren Investitionen den Rücken stärkte.
    Aber zurück zum Sommerschlussverkauf 2002: Björgolfur Gudmundsson verfügte schon lange über sehr gute Kontakte zur Unabhängigkeitspartei und hatte auch Parteiämter bekleidet. David Oddsson war daran gelegen, dass die zukünftigen Eigentümer der ältesten isländischen Bank sich auf jeden Fall »auf Gesprächshöhe mit der Partei« befinden würden, wie es der langjährige Redakteur von Morgunbladid, Styrmir Gunnarsson, einmal formulierte. Vielleicht wollte Oddsson auch wenigstens einen Teil des Erlöses vom Brauereiverkauf nach Island holen. Auf jeden Fall ging Landsbanki im Herbst an Samson, obwohl sie nicht das höchste, vielleicht sogar das niedrigste Angebot abgegeben hatten. Und als Björgolfur Gudmundsson danach den ersten, angeblich nach rein
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