Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fragmente: Partials 2 (German Edition)

Fragmente: Partials 2 (German Edition)

Titel: Fragmente: Partials 2 (German Edition)
Autoren: Dan Wells
Vom Netzwerk:
1
    »Trinken wir auf den besten Offizier in Neu-Amerika«, sagte Hector.
    Hundert Stimmen erhoben sich im Raum, Gläser klirrten. »Cornwell! Cornwell!« Die Männer stießen mit Bechern und Flaschen an und leerten sie in einem glucksenden Chor, setzten Gläser und Flaschen entschlossen ab oder warfen sie sogar zu Boden, wenn sich kein Alkohol mehr darin befand. Samm beobachtete alles schweigend und stellte das Spektiv ein wenig nach. Das Fenster war trüb, doch er konnte die Soldaten drinnen sehen, wie sie grinsten und Grimassen schnitten, einander auf den Rücken klopften, über derbe Scherze lachten und sich bemühten, den Colonel nicht anzusehen. Über den Link erfuhren sie ohnehin alles Wissenswerte über Cornwell.
    Samm hatte sich außer Reichweite des Links auf der anderen Talseite zwischen den Bäumen versteckt und musste auf diesen Luxus verzichten.
    Er verstellte den Knopf am Dreibein und verschob das Mikrofon um den Bruchteil eines Millimeters nach links. Auf diese Entfernung führte selbst eine winzige Veränderung des Winkels zu einer deutlichen Verlagerung des erfassten Bereichs. Stimmen drangen ihm ans Ohr. Abgerissene Worte und Gesprächsfetzen stürmten auf ihn ein, und dann hörte er eine Stimme, die ihm fast so vertraut war wie die von Hector. Sie gehörte Adrian, Samms altem Sergeant.
    »… nicht wissen, was sie getroffen hat«, sagte Adrian gerade. »Die feindlichen Linien wurden genau wie geplant zerschmettert, aber in den ersten paar Minuten war es umso gefährlicher. Die Gegner waren desorientiert und feuerten blindlings in alle Richtungen, und wir mussten in Deckung bleiben und konnten ihn nicht unterstützen. Cornwell hielt unerschütterlich seinen Sektor, ohne mit der Wimper zu zucken. Die ganze Zeit heulte der Wachhund so laut, dass wir fast taub wurden. Kein Wachhund war jemals seinem Herrn so treu ergeben wie dieser. Er betete Cornwell an. Das war die letzte größere Schlacht, die es überhaupt in Wuhan gab, und zwei Tage später gehörte uns die Stadt.«
    Samm erinnerte sich an das Gefecht. Fast auf den Tag genau vor sechzehn Jahren im März 2061 war Wuhan erobert worden, eine der letzten Städte, die im Isolationskrieg gefallen waren. Für Samm war es mehr oder weniger der erste Einsatz gegen den Feind gewesen. Alle Geräusche, Gerüche und den beißenden Schießpulverdunst nahm er wieder wahr, bis ihm vor Erinnerungen der Schädel brummte. Über den Link kamen Phantomdaten herein, die seinen Adrenalinausstoß noch verstärkten. Der Kampfinstinkt erwachte, als er auf der dunklen Anhöhe hockte und sich für eine Schlacht wappnete, die es nur in seiner Vorstellung gab. Fast sofort setzte die Gegenreaktion ein – eine sehr beruhigende Vertrautheit. Seit Tagen hatte er sich mit niemandem mehr verlinkt, und das Gefühl, das unversehens in ihm aufstieg, war fast schmerzhaft behaglich, ob es nun auf realen Gegebenheiten beruhte oder nicht. Er schloss die Augen und hielt daran fest, konzentrierte sich auf die Erinnerungen und wollte ihnen noch einmal und viel stärker nachspüren. Nach einigen flüchtigen Augenblicken entglitten sie ihm jedoch. Er war allein. Er öffnete die Augen und blickte wieder durch das Spektiv.
    Die Männer hatten inzwischen den Proviant ausgepackt. Auf breiten Metalltabletts türmte sich dampfendes Fleisch. In Connecticut gab es zahlreiche Rotten verwilderter Schweine, die jedoch meist im tiefen Wald blieben, weit entfernt von den Siedlungen der Partials. Wenn die Männer ein solches Festmahl veranstalten konnten, hatten sie offenbar einen ausgedehnten Jagdausflug unternommen. Samm blieb ruhig, obwohl ihm bei dem Anblick der Magen knurrte.
    In der Ferne merkten die Soldaten kurz auf. Alle zeigten im gleichen Augenblick die gleiche Reaktion, weil der Link sie vor etwas warnte, das Samm nur ahnen konnte. Der Colonel, dachte er und drehte das Spektiv, um Cornwell zu beobachten. Er sah wirklich schlimm aus, wie er da bei lebendigem Leib verfiel und verweste, aber der Brustkorb hob und senkte sich noch, und auf den ersten Blick war nichts Ungewöhnliches zu erkennen. Höchstens ein schmerzliches Zucken. Die Männer in dem Raum achteten nicht darauf, und Samm beschloss, ihrem Beispiel zu folgen. Anscheinend war Cornwells Zeit noch nicht gekommen, und die Party ging weiter. Samm belauschte eine Unterhaltung, in der es um die alten Zeiten im Isolationskrieg ging. Hier und dort fing er auch eine Geschichte über die Revolution auf, aber nichts vermochte seine Erinnerungen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher