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Fragmente: Partials 2 (German Edition)

Fragmente: Partials 2 (German Edition)

Titel: Fragmente: Partials 2 (German Edition)
Autoren: Dan Wells
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so stark zu beflügeln wie die Erzählung des Sergeants. Irgendwann wurde der Anblick der Schweinerippchen und das Schmatzen unerträglich, und Samm zog behutsam einen Plastikbeutel mit gedörrtem Rindfleisch aus seinem Rucksack. Es war ein schlechter Ersatz für die saftigen Koteletts, die sich seine früheren Kameraden schmecken ließen, aber immer noch besser als nichts. Dann blickte er wieder durch das Spektiv und sah, wie Major Wallace sich erhob und eine Ansprache hielt.
    »Lieutenant Colonel Richard Cornwell ist nicht in der Lage, heute zu Ihnen zu sprechen, aber es ist mir eine Ehre, in seinem Namen ein paar Worte zu sagen.« Wallace bewegte sich in jeder Hinsicht langsam, was den Gang und die Gesten, aber auch die Sprechweise betraf. Jede Regung war gemessen und bewusst. Äußerlich war er nicht älter als Samm, ein achtzehnjähriger junger Mann, doch in Wahrheit war er schon beinahe zwanzig und seinem Verfallsdatum nahe. In wenigen Monaten, vielleicht schon in einigen Wochen, würde er genauso verwesen wie Cornwell. Samm fröstelte und zog die Jacke eng um die Schultern.
    Nun wurde die Gruppe so still, wie Samm es bereits war. Wallace’ Stimme füllte mühelos den ganzen Saal und hallte blechern in Samms Kopfhörern. »Ich hatte die Ehre, mein ganzes Leben lang unter dem Colonel zu dienen. Er zog mich persönlich aus dem Bruttank und führte mich durch das Ausbildungslager. Er ist ein besserer Mensch als die meisten, die mir begegnet sind, und er war immer ein guter Anführer. Wir haben keine Väter, aber ich stelle mir vor, dass mein Vater ein Mann wie Richard Cornwell gewesen wäre, wenn wir Väter hätten.«
    Er hielt inne. Samm schüttelte den Kopf. Abgesehen von der biologischen Abstammung war Cornwell tatsächlich ihr Vater. Er hatte sie unterwiesen, sie angeführt, sie beschützt und alles getan, was die Aufgabe eines Vaters gewesen wäre. Alles, was Samm niemals selbst tun könnte. Er stellte den Zoom seines Spektivs nach und holte das Gesicht des Majors so nahe wie möglich heran. Tränen entdeckte er nicht, nur die tief in den Höhlen liegenden müden Augen.
    »Man hat uns gemacht, damit wir sterben«, fuhr der Major fort. »Wir sollten töten und fallen. Unser Leben diente nur zwei Zielen, und das erste haben wir vor fünfzehn Jahren erreicht. Manchmal denke ich, das Grausamste bei allem war nicht das Verfallsdatum, sondern die Spanne von fünfzehn Jahren, die wir warten mussten, bis wir es herausfanden. Für die Jüngsten unter euch ist es am schwersten, weil ihr als Letzte untergehen werdet. Wir wurden im Krieg geboren, wir haben Ruhm erworben, und nun befinden wir uns auf dem Abstellgleis und sehen einander beim Sterben zu.«
    Wieder zuckten die Partials in dem Raum zusammen, dieses Mal sprangen einige sogar auf. Samm schwenkte das Spektiv wild hin und her und suchte den Colonel, doch da er das Gesicht des Majors herangezoomt hatte, verlor er den Überblick. Hilflos und wie in Panik suchte er einige Sekunden lang und hörte die Rufe »Der Colonel!« oder »Die Zeit ist gekommen!«. Schließlich gab Samm auf, fuhr das Spektiv zurück und zoomte aus fast anderthalb Kilometern Entfernung neu heran. Er fand das Bett des Colonels am Ehrenplatz ganz vorn im Raum und beobachtete, wie der alte Mann sich schüttelte und hustete. Aus den Mundwinkeln rannen schwarze Blutstropfen. Er sah bereits aus wie eine Leiche. Die Zellen degenerierten, der Körper verfiel so schnell, dass man dabei schier zusehen konnte. Er stammelte etwas, schnitt eine Grimasse, hustete und lag wieder still. Schweigen herrschte in dem Raum.
    Mit versteinertem Gesicht beobachtete Samm, wie die Soldaten das Todesritual vollzogen. Ohne ein einziges Wort zu sprechen, öffneten sie alle Fenster, zogen die Vorhänge zurück und schalteten die Ventilatoren ein. Menschen weinten, wenn sie mit Tod konfrontiert wurden. Sie hielten Reden, klagten und knirschten mit den Zähnen. Die Partials trauerten, wie es nur ihnen möglich war: über den Link. Ihre Körper waren für das Schlachtfeld erschaffen. Wenn sie starben, setzten sie einen Datenstrom frei, um ihre Gefährten vor der Gefahr zu warnen. Und wenn diese es fühlten, setzten sie ihrerseits Daten frei, um die Warnung weiter zu verbreiten. Die Ventilatoren surrten, wälzten die Luft um und bliesen die Daten in die Welt hinaus, damit jeder sich verlinken und erfahren konnte, dass ein großer Mann gestorben war.
    Samm wartete angespannt, während ihm der Wind über das Gesicht strich. Er
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